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In der müß'gen Stunde Gähnen stirbt das letzte Fünkchen Mut, 
träge in den kranken Venen schleicht das böse, schwarze Blut; 
tiefer Gram umwölkt die Stirne, 
Wahnsinn brütet im Gehirne, 
bis das Herz im Tode ruht. 
Mensch, was dich auch immer quäle, Arbeit ist das Zauberwort, 
Arbeit ist des Glückes Seele, Arbeit ist des Friedens Hort! 
Deine Pulse schlagen schneller, 
deine Blicke werden heller, 
und dein Herz pocht munter fort! 
Völker! Laßt das Murren, Klagen über Götzendienerei; 
wollt ihr einen Götzen schlagen, schlagt den Müßiggang entzwei! 
Nur die Arbeit kann erretten, 
nur die Arbeit sprengt die Ketten, 
Arbeit macht die Völker frei. 
Von einer Industrie im heutigen Sinne konnte man erst sprechen, 
nachdem man gelernt hatte, die Dampfkraft mit Maschinen auszunutzen; 
bis dahin deckten sich die Begriffe Gewerbe und Handwerk so ziemlich. 
Soweit sich die Poesie bis dahin gewerblicher Stoffe bemächtigte, ist 
sie recht eigentlich eine Poesie des Handwerks und der einzelnen Hand— 
werkszweige. Im Handwerkerzunftleben spielte die Dichtkunst eine gar 
wichtige Rolle. Bekanntlich 
war Hans Sachs ein Schuh— 
macher und Poet dazu. 
Heutzutage gibt es leider gar viele, welche mit einer Art Gering— 
schätzung auf Handwerk und Handwerker blicken, und manche Eltern halten 
in dieser verkehrten Anschauung gerade ihre begabten Söhne für ein 
Handwerk zu gut. Solche Leute mögen sich zu Herzen nehmen, was in 
dem folgenden Gedichte deutlich zum Ausdruck kommt. 
Das Handwerk. 
Ein Handwerk soll der Bub' nicht Der Hände Arbeit kam zu 
treiben; Schanden, 
denn dazu ist er viel zu gut. der Arbeitsbluse schämt man sich; 
Er kann so wunderniedlich schreiben, das rächt sich noch in deutschen Landen, 
ist ein so feines, junges Blut. das rächt sich einmal bitterlich. 
Nur ja kein Handwerk — Gott Das Handwerk hat noch goldnen 
bewahre! Boden, 
Das gilt ja heute nicht für fein: hält es nur mit dem Zeitgeist Schritt, 
„Und wenn ich mir's am Munde spare, folgt es den Künsten und den Moden 
es muß schon etwas Bess'res sein!“ und bringt man Liebe zu ihm mit. 
Das ist der wunde Punkt der Wenn Bildung sich und Fleiß ver— 
Zeiten: mählen 
ein jeder will auf's hohe Pferd; und tut der Meister seine Pflicht, 
ein jeder will sich nobel kleiden, mögt ihr es zum Beruf erwählen: 
doch niemand seinen Schneider ehrt. es ist das Schlechteste noch nicht. 
(Aus der deutschen Töpferzeitung.)
	        
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