Full text: [Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband])

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»Spieglein, Spieglein an der Wand, 
wer ist die Schönste im ganzen Land?« 
so antwortete er endlich: 
»Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land.« 
Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe 
haben kann. 
Die Zwerglein fanden, als sie abends nach Hause kamen, Schnee— 
wittchen auf der Erde liegen; es regte sich in ihm kein Atem mehr, 
und es war tot. Sie hoben es auf, suchten, ob sie etwas Giftiges 
fänden, schnürten es auf, kämmten ihr die Haare, wuschen es mit 
Wasser und Wein; aber es half alles nichts; das liebe Kind war tot 
und blieb tot. Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben 
daran und beweinten es und weinten drei Tage lang. Da wollten sie 
es begraben; aber es sah noch so frisch aus wie ein lebender Mensch 
und hatte noch seine schönen roten Backen. Sie sprachen: »Das können 
wir nicht in die schwarze Erde versenken,« und ließen einen durchsichtigen 
Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten 
es hinein und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und 
daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus 
auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte 
ihn. Und die Tiere kamen auch und beweinten Schneewittchen, erst 
eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. 
Da lag Schneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarge und ver— 
weste nicht, sondern sah aus, als wenn es schliefe; denn es war 
noch so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarzhaarig wie 
Ebenholz. 
Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald geriet und zu 
dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berge den 
Sarg und das schöne Schneewittchen darin und las, was mit goldenen 
Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen: 
»Laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben 
wollt.« Aber die Zwerge antworteten: »Wir geben ihn nicht um 
alles Gold in der Welt!« Da sprach er: »So schenket mir ihn, 
denn ich kann nicht leben, ohne Schneewittchen zu sehen; ich will es 
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