178 Sekunda. tV. Bilder aus Natur und Menschenleben
Die niederen Gegenden der Luft waren seit einigen Tagen mit
Dämpfen angefüllt. Wir sahen erst in der Nacht vom 4. zum 5. Julius
(1799) im 16. Grade der Breite das Kreuz des Südens zum
erstemual deutlich, es war stark geneigt und erschien von Zeit zu Zeit
zwischen Wolken, deren Mittelpunkt, von dem Wetterleuchten gefurcht,
ein silberfarbenes Licht zurückwarf. Wenn es einem Reisenden erlaubt
ist, von seinen persönlichen Rührungen zu reden, so setze ich hinzu, daß
ich in dieser Nacht einen der Träume meiner ersten Jugend in Erfüllung
gehen sah.
Wenn man anfängt, den Blick auf geographische Karten zu heften
und die Beschreibungen der Reisenden zu lesen, so fühlt man eine Art
voll Borliebe für gewisse Lällder unb Klimate, von der mall sich in einem
höheril Alter ilicht wohl Rechenschaft geben kanil. Diese Eindrücke habeil
einen mächtigen Einfluß auf unsere Entschlüsse, und wir sucheil uns
wie iilstinktlnäßig mit den Gegenständen in Beziehung zu setzen, die
seit langer Zeit einen geheimen Reiz für uns hatten. In einer Epoche,
wo ich deil Himmel studierte, nicht llin lnich der Astronomie zu widmen,
sondern unl die Sterne kennen zu leriten, wurde ich von einer Furcht in
Beweguilg gesetzt, die denjenigen unbekanirt ist, die eine sitzende
Lebensart liebeil. Es schien mir schmerzhaft, der Hoffiluilg zu entsagen,
die schönen Sterilbilder zu sehen, die in der Nähe des Südpols
liegeil. Ungeduldig, die Gegeilden des Äquators zu durchwailderil,
sonnte ich die Augen ilicht gegen das gestirnte Gewölbe des Himmels
erhebeil, ohne all das Kreuz des Südens zu denken und ohile mir die
erhabene Stelle des Dante ins Gedächtnis zurückzurufeil:
Zur Rechten kehrt' ich mich, den Geist gewandt
Zum andern Pol, und sah vier Stern' im Schimmer,
Die niemand als das erste Paar erkannt.
Den Himmel letzt' ihr funkelndes Geflimmer;
O du verwaistes Land, du öder Nord,
Du siehst den Glanz der schönen Lichter nimmer!
Die Besriedigullg, die wir bei der Entdeckung dieses Kreuzes
des Südens empfailden, wurde lebhaft von benjenigen Personen der
Schiffsmannschaft geteilt, welche die Kolonien bewohnt hattell. In
der Einsamkeit der Meere grüßt man eineil Stern wie einen Fremld,
voll dem man lange Zeit getrennt war. Bei den Portugiesen unb
Spaniern scheinen noch besondere Gründe dieses Interesse zu ver¬
mehren; ein religiöses Gefühl macht ihnen ein Sternbild lieb, dessen
Form ihnell das Zeicheil des Glaubens ins Gedächtnis ruft, das voll
ihreil Vorelteril in den Wüsten der neuen Welt aufgepflailzt wurde.