Im Grau'n der Nacht, im Windgebraus,
man weiß sich doch im Vaterhaus,
sorgt nicht am Kreuzweg allzuviel,
man geht mit Gott und kommt ans Ziel.
Mit Gott! das ist so wunderleicht;
und doch, so weit der Himmel reicht,
so weit hinwandeln Tag und Nacht,
dies Wort hat wundergroße Macht.
Fürwahr, das ist ein sel'ger Mann,
der's recht von Herzen sagen kann.
Er wird so stark, daß selbst der Tod
demütig naht und nimmer droht.
Wohlan, so sprich zur Abendruh,
zum Morgenlichte sag es du:
Mit Gott! — Mit Gott! so fang es an,
dein Tagewerk, so schließ es dann!
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3. Ein Brief Dr. Luthers an seinen kleinen Sohn Hans.
(Zuni 1530.)
Gnade und Friede in Christo, mein liebes Söhnchen! Ich sehe gerne,
20 daß du wohl lernest und fleißig betest. Thue also, mein Söhnchen, und fahre
fort. Wenn ich heimkomme, so will ich dir einen schönen Jahrmarkt mit
bringen. Ich weiß einen hübschen, lustigen Garten, da gehen viele Uinder
innen, haben güldene Röcklein an und lesen schöne Äpfel unter den Bäumen
und Birnen, Kirschen, Spillinge und Pflaumen, singen, springen und sind
fröhlich, haben auch schöne kleine Pferdlein mit güldenen Fäumen und
silbernen Sätteln. Da fragte ich den Mann, des der Garten ist, wes
die Kinder wären. Da sprach er: Es sind die Kinder, die gerne beten,
lernen und fromm sind.
Da sprach ich: Lieber Mann, ich habe auch einen Sohn, heißt
30 hänschen Luther; möchte er nicht auch in den Garten kommen, daß er
auch solche schöne Äpfel und Birnen essen möchte und solche feine
Pferdlein reiten und mit diesen Kindern spielen? Da sprach der Mann:
Wenn er gerne betet, lernet und fromm ist, so soll er auch in den
Garten kommen; Lippus und Jost auch, und wenn sie alle zusammen
z5 kommen, so werden sie auch Pfeifen, Cauten und allerlei Saitenspiel
haben, auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schießen.
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten, zum Tanzen
zugerichtet; da hingen eitel güldene Pfeifen, Pauken und feine silberne
Armbrüste; aber es war noch früh, daß die Kinder noch nicht gegessen
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