Full text: [Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Mittelstufe, [Schülerband])

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diesen auf den Kopf. Man kann denken, was das für ein Getümmel auf dem 
Kopfe war. Nun begegnete ihm ein Fremder, der grüßte ihn freundlich und 
sprach ihn an: „Guter Freund, wo geht der Weg hinaus?“ Weil aber der Michel 
die Spatzen auf dem Kopfe hatte, so dachte er: Was geht dich der Fremde an! 
b ließ den Hut sitzen und gab gar keine Antwort. Der Freinde sagte zu sich selbst: 
Hier müssen grobe Leule wohnen, und ließ den Michel weiter gehen. Jetzt be⸗ 
gegnete diesem der Amtmann, den pflegten alle Leute zu grüßen; der Michel that 
es aber nicht, einmal weil er die Spatzen unter dem Hute hatte, und zweitens, 
weil er ein Grobian von Haus aus war. Der Ammmann aber sagte zu dem 
10 Gerichtsdiener mit dem roten Kragen, welcher hinter ihm herging: „Sieh doch 
einmal, ob dem Burschen der Hut angeleimt ist!“ Der Gerichisdiener ging hin 
und sprach: „Hör einmal, Michel, der Herr Amtmann möchte sehen, wie dein 
Hut inwendig aussieht. Flugs zieh ihn ab!“ Der Michel aber ögerte immer 
noch und wußte nicht, wie er es machen sollte. Da riß ihm der Gerichssdiener den 
Hut herunter, und — brr — flogen die Spatzen heraus, nach allen Ecken und 
Enden. Da mußte der Amtmann lachen, und alle Leute lachten mit. Der Michel 
aber hieß von der Stunde an Spatzenmichel, und wenn einer seinen Hut oder 
seine Kappe vor Fremden nicht abzieht, so sagt man noch heutigen Tages: „Der 
hat gewiß Spatzen unter dem Hute.“ 
216. Eine Geschichte vom Schweinehirten. 
Gscholle.) 
Bei einem Dorfe in der Markgrafschaft Ancona lebten ein Paar arme 
Bauersleute, die hatten einen Sohn, der hieß Felix. Dieser Knabe hatte zwar 
einen guten Verstand; weil er aber sehr arm war, mußte er die Schweine 
im Felde hüten. Felix ward von seinen Eltern immer angehalten, gegen 
jedermann gefällig, zuvorkommend und freundlich zu sein. Die andern Kna— 
ben im Dorfe verachteten aber den Schweinehirten und waren grob. Als Felix 
eines Tages seine Herde hütete, kam des Weges ein Barfüßermönch, der durch 
den Wald einen Wegweiser begehrte. Weil es aber schlechtes Weller war, so 
30 sagten die andern Knaben mit ihrer gewöhnlichen Grobheit: „Nein, ich gehe 
nicht!“ Da sprang Felix hervor, grüßte freundlich und bot sich zum Weg— 
weiser an. Da der Mönch unterwegs aus den klugen Antworten des Knaben 
einen guten Verstand wahrgenommen, hat er ihn mit sich in sein Kloster 
geführt und mit Bewilligung seiner Eltern in seinen Orden aufgenommen. 
Felix studierte jetzt fleißig und ungeachtet er bald einer der gelehrtesten von 
allen Mönchen wurde, erhob er sich doch nicht mit Stolz, sondern blieb 
demütig, höflich und dienstfertig. Dies machte, daß ihn alle, die ihn kannten, 
liebgewannen, und so wurde er von einer Ehrenstelle zur andern erwählt, 
bis er sogar Bischof und zuletzt Kardinal wurde. Endlich, da der Papst 
starb, wurde er einhellig am 24. April 1585 in Rom zum Papst erwählt. 
Und er hat unter dem Namen Sixtus V. mit großem Ruhm regiert. — Die 
Bauern, welche von dem Glück des ehemaligen Schweinehirten hörten, kratzten 
sich hinter den Ohren, kratzten aber wenig Verstand heraus, sondern blieben, 
was sie waren, ungehobelt und ungeschliffen. 
15 Diese Geschichte lehrt, wie oft ein kleiner Umstand unser Glück machen kann, 
und wie die Höflichkeit das erste Mittel ist, sich unter den Menschen beliebt zu 
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