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In einer Herberge zu Köln am Rhein mußte er eines Tages lange auf
das Essen warten, und als er seine Ungeduld darüber laut werden ließ,
sagte die Wirtin: „Wer nicht warten kann, bis das Essen fertig ist, der
mag essen, was er hat.“ „Gut!“ sagte Eulenspiegel bei sich selbst, sehte sich
an den Tisch und verzehrle mit gutem Appetit einen Salzkuchen, den er
zufällig bei sich hatte. Als nun bald darauf ein großer Braten aufgetragen
wurde, rührte Eulenspiegel ihn nicht an, sondern meinte, er sei von dem
Geruch schon gesättigt. Nach Tische forderte der Wirt von jeglichem Gaste
drei kölnische Weißpfennige für die Zehrung. Till Eulenspiegel aber sagte:
„Wie soll ich zahlen, so ich doch nichts gegessen oder getrunken habe?“ Der 10
Wirt sagte dagegen: „Du hast mit bei Tische gesefsen und hättest essen
mögen, so viel du gewollt hättest; bist du aber von dem bloßen Geruch schon
satt geworden, so ist es mein Vorteil und des deinige auch, du hast dir den
Magen gewiß nicht überladen.“ Da nahm Eulenspiegel drei kölnische Weiß⸗
pfennige aus der Tasche, warf sie auf das Zahlbrett und fragte den Wirt,
ob sie nicht einen guten Klang hätten. „Ja wohl,“ sagte der Wirt und wollte
sie einstreichen; aber Eulenspiegel kam ihm zuvor und sagte: „Ich habe den
Geruch von deinem Braten gehabt, nimm du dafür den Klang von meinem
Gelde.“ Die übrigen Gäste lachten, der Wirt mußte den schlauen Gast ohne
Zahlung davon ziehen lassen, und mancher fragte ihn hohnneckend, wozu er 20
den Klang von Eulenspiegels Gelde doch anwenden volle.
Eines Tages begegnete ihm ein Fuhrmann, der auf einer steinichten
Straße seine Pferde über die Gebühr antrieb, so daß sie laufen mußten.
„Kann ich,“ fragte er im Vorbeigehen, „noch wohl vor Abend zur Stadt kommen?“
Wenn ihr langsam fahret,“ anwortete Eulenspiegel. „Der Kerl ist wohl nicht 26
klug,“ dachte der Fuhrmann und ieb die Pferde nur noch mehr an. Gegen
Abend kam Eulenspiegel auf demselben Wege zurück und traf den Fuhrmann
wieder auf der Straße an und zwar in großer Verlegenheit. Durch das Jagen
auf steinichtem Boden war ihm nämlich ein Rad gebrochen. Er konnt deshalb
mit seinem Wagen nicht aus der Slelle und mußte sich bequemen, die Nacht 30
unter freiem Himmel zuzubringen. „Sagte ich's Euch nicht,“ sprach Eulenspiegel,
„daß Ihr langsam fahren müßtet, wenn Ihr noch zur Stadt wolltet?“
Till Eulenspiegel war in einem Dorfe unweit Schöppenstädt im Herzog⸗
tum Braunschweig geboren; er starb 1350 in dem Städtchen Möllen, vier
Meilen von Lübeck, wo man einen Grabstein mit seinem Wappen zeigt. So 86
oft er nämlich an einem Orte einen Mutwillen verübt hatte und, um den
Folgen zu entgehen, sich aus dem Staube machte, zeichnete er mit Kreide
an die Thür des Haufes einen Spiegel mit einer Eule und schrieb darunter:
„Der ist es gewesen.“ Noch jetzt nennt man mutwillige, verkehrte und närrische
vandlungen Eulenspiegelstreiche, und das nicht bloß in der deutschen, 40
sondern auch in einigen fremden Syprachen.
241. Hans im Glück.
Maärchen. — Brüder Grimm.)
Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm:
„Herr, meine Zeit ist herum, nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner 46
Mutter, gebt mir meinen Lohn.“ Der Herr antwortete: „Du hast mir treu
Gabriel u. Supprian, Lesebuch. 1