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drang bis zu uns herüber. Muntere Lerchen trillerten über der
ganzen Feldflur, und mein Bruder nötigte mich, die nächste so lange
mit ihm zu beobachten, bis sie unsern Blicken entschwand: ihren
weithin schallenden Gesang aber konnten wir noch lange vernehmen.
In dem Gestrüppe zu unserer Linken stand hier und dort ein krauser
Schlehdorn in voller Blüte. Die zarten, glänzenden Blümchen bildeten
einen eigentümlichen Kontrast zu den dunkeln, unreinlichen Schnee-
Massen, welche noch an manchen Stellen in der Tiefe des Hohlweges
sichtbar wurden. Wir spähten wetteifernd nach dem ersten Veilchen,
mußten uns aber mit einigen Knospen begnügen, welche eben erst das
tiefblaue Köpfchen emporgestreckt hatten. Desto reichlicher sollten wir
im Walde entschädigt werden. An einer sonnigen Stelle inmitten
hoher, schlanker Buchen und jungen Aufschlages verschiedener Holz¬
arten stand eine solche Menge weißer Anemonen und gelber Schlüssel¬
blumen, daß mein Bruder bei ihrem Anblicke vor Freuden in die
Hände klatschte. Da er sich einen großen Strauß davon pflückte, so
hielten wir uns hier länger auf. Die Stauden in der Nähe hatten
schon teilweise ihre Knospen geöffnet, und die jungen, schwankenden
Blättchen schienen sich im Lichte zu sonnen. Lustige Buchfinken und
kleinere Vögel hüpften zwitschernd von Zweig zu Zweig, und tiefer
ans dem braunen Dickicht ertönten in kurzen Absätzen die kräftigen
Stimmen verschiedener Drosseln. Ihr Gesang klang so ernst und
verständig, als müßten sie den Menschen, den andern Vögeln und dem
ganzen Walde den schönen Frühling zurufen. Je länger wir ihnen
zuhörten, desto mehrere glaubten wir zu vernehmen; aber auch in
den hohen Buchen war ein so fröhliches Gezirpe und Gezwitscher, als
wäre da eine freundliche Unterredung und Begrüßung der sich wieder¬
sehenden Böglein. Die Sonne hatte sich inzwischen geneigt, und ein
wundersames Farbenspiel zeigte sich rings auf den glatten Ästen und
Stämmen. Langsam kehrten wir nach Haufe zurück; denn auch der
Heimweg bot manches zu unserer innigen Freude und Unterhaltung.
128. Frühlingsausflug in den Buchenwald.
(Hermann Wagner.)
Der Kuckuck ruft, die Birke hat ihr duftendes Laub entfaltet:
aus den Straßen der Stadt ziehen wir hinaus ins Freie, hinaus in
den frischen, grünen Wald, um in würziger Waldluft den zurückge¬
kehrten Vögeln zu lauschen.