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Weinstöcke von neuem beschneiden. Dies sind aber nur die großen regel—
mäßigen Arbeiten. Dazwischen gibt es noch kleinere Geschäfte: das An—
binden losgerissener Zweige, das Jäten Und die Wiederherstellung des
Bodens nach wilden Regengüssen. Hier und da haben die Winzer an
den Bergen kleine Häuschen gebaut, die als Wachtörter dienen, wenn die
Trauben reifen; auch werden die Gerätschaften darin aufbewahrt. Vor
diesen niedlichen Winzerhäuschen sitzen die Arbeiter während der Mittagszeit
im kühlen Schatten, um sich mit Speise und Trank zu laben, oder die
Wächter des Abends und des Nachts beim Feuer. Sind die Trauben reif,
voll und süß geworden, so beginnt allenthalben die Weinlese. Die Trauben
werden von jung und alt unter fröhlichem Gesang mit Sichelmessern ge—
schnitten, in große Körbe und Bottiche gesammelt und in die Kelter
gebracht, um in Most und dann in stärkenden Wein verwandelt zu
werden.
148. Lied der Winzer.
1. Winzermütter, leert die Fässer! 8. Sammelt, Geist und Herz zu laben,
Winzerväter, schärft die Messer! jauchzend Gottes Wundergaben.
Seht die Trauben glänzen schön; Sammelt Trauben reif und schwer,
auf, und eilet auf die Höh'n! sammelt sie und tragt sie her.
2. Winzerknaben, Winzermädchen, 4. Auf dem Hügel, in dem Thale,
jetzt hinweg mit Pflug und Rädchen. am Geländer, an dem Pfahle
Leicht wie Rehe tanzt im Lauf lächelt Gottes Segen euch,
Rebenhügel ab und auf. macht euch alle froh und reich.
5. Auf, empfangt mit frommen Händen,
was die Berge Gottes spenden!
Auf und preßt den goldnen Wein!
aber schenket mäßig ein!
149. Der Fuchs und die Weintrauben.
An einem Weinstock hingen ganz oben einige goldgelbe Trauben.
Ein Fuchs, der sehr langmäulig war, kam vorbei, sah die Trauben und
hätte sie gern gehabt. Er sprang an den Weinreben in die Höhe, um
die Beeren zu erschnappen; er zerrte an den Reben, um die Trauben herab—
zuziehen; er kletkerte am Spalier ein Stück hinauf, — aber alle Mühe
war vergeblich. Das verdroß ihn sehr. Als aber der Gesang der Vögel