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oft auf ebenem Wege, sie schwirrt in der Nacht zwischen den Zweigen der
Bäume hindurch. Auffallend groß sind die Ohren der Fledermaus, und
ihr Gehör ist sehr scharff. Von fern schon vernimmt sie das Summen
des Muͤckenschwarms und des einsamen Käfers, sowie den leisen Flügel—
schlag der Eule, welche ihr mit Klaue und Schnabel droht.
Sobald der Tag anbricht, suchen die Fledermäuse ihre Schlupfwinkel
auf. Einige kriechen in hohle Bäume, andere verstecken sich unter die
Strohdacher der Scheunen, noch andere schlüpfen in Kirchtürme, in Ruinen
oder in unbenutzte Schornsteine. — Sonderbar ist die Art, wie sie aus—
ruhen und schlafen. Sie hängen sich mit den Krallen der Hinterfüße an
einen Dachsparren oder Holznagel auf, der Kopf ist dabei nach unten ge—
wendet. Ebenso bringen sie die kalten Tage des Winters zu. Beim Be⸗
ginn desselben wickeln sie sich in ihre Flughaut wie in ein Tuch und
schlafen ein. Wer unten vorübergeht, glaubt wohl, einen Fetzen Spinn⸗
gewebe zu sehen, so regungslos hängen sie da. Wenn aber die ersten
Käfer schwirren, und wenn der Dachs vor seine Hausthür kommt, dann
wacht auch die Langschläferin auf und wickelt sich aus ihrer Umhüllung.
Was im Winter Mantel gewesen war, wird zum Flügel und trägt sie
durch die Luft.
Man sagt den Fledermäusen nach, daß sie sehr unverträglich seien.
Auch sonst stehen sie nicht in gutem Rufe. Sie sollen den Menschen gern
in die Haare fliegen und sie dadurch erschrecken. Man fürchtet sie deshalb
wohl. Aber es ist nicht recht, daß man sie tötet. Sie vertilgen Millionen
von Käfern, Raupen und Nachtschmetterlingen. Dabei haben sie noch
manche andere löbliche Eigenschaft. Gar sorglich pflegt die Fledermaus
ihre Jungen. Sie verläßt dieselben nicht eher, als bis sie selbst ihre
Flughäute gebrauchen und Nahrung fangen können. Mit ihren Jungen
kommt sie aus den Schalllöchern des Kirchturms, mit ihnen flattert sie
uber den Teich und durch den Kreuzgang des Klosters. Und wenn sie
bor dem Morgensterne wieder in ihren Winkel heimgekehrt ist, schlägt sie
die Flughaut um ihre Kinder, daß sie sicher schlafen können, bis die
Sonne wieder untergegangen ist.
Wer sagt aber den jungen Fledermäusen, daß sie sich an ihre Mütter
anklammern und an denselben festhalten müssen, und daß sie ihr Brot
nirgends anders finden können als in der Luft? Das ist derselbe, von
dem Salomo schreibt. „Gott hat beide, die Kleinen und die Großen, ge—
macht und sorget für alle gleich.“
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