Full text: [Teil 4 = 4. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 4 = 4. Schuljahr, [Schülerband])

dem Strauch. Andre, die vorüber wandern, freun sieh an den 
Blumen auch. 
Nach dir Kommt vielleicht ein müder Wandrer, der des Weges 
zieht trüben Sinns — der freut sich wieder, venn er auch ein 
Blũümlein sieht. 
65. Der Kuhhirt. 
Ein Knabe weidete ein Rind auf einem Grasplatze neben einem 
Garten. Als er nun in die Höhe sah nach einem Kirschbaume, merkte 
er, daß einige reife Kirschen darauf saßen, die glänzten ihm rötlich ent— 
gegen, und es gelüstete ihn, sie zu pflücken. Da ließ er das Tier und 
kletterte auf den Baum. 
Die Kuh aber, da sie den Hirten nicht sah, ging davon, brach in 
den Garten und fraß Blumen und Kräuter nach ihrem Gelüste, anderes 
zertrat sie mit den Füßen. 
Als der Knabe solches sah, ward er sehr entrüstet, sprang von dem 
Baume auf die Erde, lief hin, ergriff das Rind und schlug und schmähte 
es jämmerlich. 
Da trat der Vater, der alles gesehen hatte, zu dem Knaben, 
sah ihn ernstlich an und sprach: „Wem gebühret solche Züchtigung, dir 
oder dem Tiere, welches nicht weiß, was rechts oder links ist? Bist du 
minder deinem Gelüste gefolgt als das Tier, welches du leiten solltest? 
Und nun übst du solch ein unbarmherzig Gericht und vergissest deiner 
Vernunft und deiner eigenen Sünde!“ 
Da schämte sich der Knabe und errötete vor dem Vater. 
66. Die Hirtenflöte. 
Ein König hatte einen Schatzmeister, der sich vom Hirtenstabe zu 
diesem wichtigen Amte aufgeschwungen hatte. Der Schatzmeister wurde 
aber bei dem Könige verklagt, daß er die königlichen Schätze veruntreue 
und die geraubten Gelder und Kostbarkeiten in einem eigenen Gewölbe 
mit eiserner Thür aufbewahre. Der König besuchte den Schatzmeister, 
besah dessen Palast, kam an die eiserne Thür und befahl sie zu öffnen. 
Als der König nun hinein trat, war er nicht wenig erstaunt. Er sah 
nichts als vier leere Wände, einen länglichen Tisch und einen Strohsessel. 
Auf dem Tische lag eine Hirtenflöte nebst einem Hirtenstabe und einer Hirten— 
tasche. Durch das Fenster sah man auf grüne Wiesen und waldige Berge. 
Der Schatzmeister aber sprach: „In meiner Jugend hütete ich die 
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