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an den höheren Rändern der Uckermark. Bei Wriezen oder Seelow auf der
Uferhöhe hat man das Bruch gerade vor sich und übersieht die stattlichen Vor—
werke und kleineren Gehöfte, wie sie verstreut in der Aue liegen zwischen Frucht⸗
feldern und Gemüseländereien. Weidenalleeen durchkreuzen in verschiedenen Rich—
tungen das Land an den Rändern der Abzugsgräben hin, denen man durch die
Anpflanzung eine größere Festigkeit gegeben hat. Früher sah es hier ganz an—
ders aus. Das Oderbruch ist ein schönes Beispiel davon, wie die preußischen
Könige für ihr Land und Volk gesorgt haben. In alter Zeit durchzogen zahl—
reiche Stromarme die Niederung. Von mehreren Seeen sind noch Reste übrig,
andere sind ausgetrocknet oder abgelassen. Im Frühjahr nach der Schnee—
schmelze und um den Johannistag, wenn der Bober das Schneewasser vom
Riesengebirge brachte, wurde alles überflutet. Man konnte mit Kähnen überall
hinfahren. Wenn sich das Wasser verlief, hatten sich auch oft die Flußbetten
verändert. Zuerst bauten sich Fischer und Viehzüchter auf den höher gelegenen
Stellen an. Sie umgaben ihre Häuser mit hohen Wällen und suchten dann,
dem nassen Lande Weide und Acker abzuringen. War die Weidezeit zu Ende, so
gab man sich der Jagd und dem Fischfange hin. Der Reichtum an Fischen war
ein außerordentlicher; den größten Fischmarkt hatte die Stadt Wriezen. Von
hier gingen Wagen mit Fischen nach allen Himmelsrichtungen. Sehr zahlreich
waren die Krebse, nicht minder die wilden Wasservögel, die noch fleißiger fischten
als die Menschen. Da gab es Storchnester in großer Zahl, außerdem Scharen
von Reihern, Rohrdommeln, Kranichen, Kiebitzen, Trappen und Schnepfen. Un—
ermeßlich waren aber auch die Mückenschwärme. Auch Fischottern und Biber
hielten sich früher hier in Mengen auf. Sie wurden ausgerottet, weil sie
die Dämme zerstörten, durch welche die Ansiedler sich vor den Fluten schützten.
Das Hauptwerk der Entwässerung begann unter Friedrich dem
Großen. Man gab dem Strom einen geraden Lauf, indem ein Kanal von
Güstebiese bis Hohensaathen geführt wurde. Seit jener Zeit entstanden im
Bruche viele Dörfer und königliche Domänen. Der große König hat in der
Urbarmachung des Oderbruchs eines seiner größten Werke hinterlassen. Mit
Recht sagte er: „Hier habe ich ein Fürstentum erworben, das mich keinen Sol—
daten gekostet hat.“
Jetzt ist das Oderbruch einer der fruchtbarsten Teile der preußischen
Lande und liefert besonders Gerste und Mastvieh nach Berlin. Außerdem ist
in neuerer Zeit die Spiritusbrennerei, Stärke- und Zuckerbereitung aufgekommen.
Hinter Hohensaathen berührt die Oder den Kreis Angermünde. In demselben
wird Tabak gebaut. Besonders Schwedt und Vierraden führen dieses Boden—
erzeugnis aus. Bald hinter Schwedt verläßt die Oder die Mark Brandenburg.
(Nach Riehl, Scheu und anderen.)
15. VWas bin ich mehr als ihr?
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Am 27. April 1785 trat die Oder aus ihren Dummen, riss Brücken
ab, varf Häuser um und wies vielen Menschen ihren Sitz auf Dächern