§ 3. Religion der Germanen. 11
göttin wohnt sie in Bergen, Teichen, Brunnen; bei ihr sind die Seelen
der Gestorbenen und die ungeborenen Kinder. Besonders in den zwölf
heiligen Nächten zur Zeit der Wintersonnenwende hält sie ihren Umzug,
besieht das Hauswesen, belohnt fleißige Spinnerinnen und straft die faulen.
In Frau Bertas Gefolge befinden sich die Seelen der gestorbenen Kinder.
(Sage vom Tränenkrüglein.)
e. Nordische Gottheiten. Auch noch andere, weniger scharf als die im Winde
und im Gewitter hervortretenden Eigenschaften des Himmelsgottes sind in den
nordischen Dichtungen zu selbständigen Gottheiten geworden. ,f>eimdaLQst das am
Horizont sich zeigende Taaeslickt. Auf dem Gipfel der Berge, wo man ihn an dem
goldenen Schein erkennt, yalter Wache, der beste aller Wächter; denn er bedarf
weniger Schlaf als der Vogel, sieht in der Finsternis so gut wie am Tage und kann
nicht nur das Gras, sondern sogar die Wolle auf dem Lamm wachsen hören. Wie
er an jedem Morgen Menschen und Tiere zu neuer Tätigkeit weckt, so ruft er der¬
einst mit seinem Horn die Götter zum Entscheidungskampf gegen die heranstürmenden
Mächte des Bösen. — ^n Freür verebrte man den lichten Himmels- und Sonnen¬
gott, der als Freund derMenschen der Erde Licht, Wärme *Ttnb' 'Wüchimbeit Regen
spendete und besonders nach dem toten Winter die Erde zu neuem Leben erweckte, und
in seiner Schwester Frey ja die Göttin der Liebe und des holden Frühlings. In
den meisten Stücken ist Baldur dem Freyr ähnlich; er, der Liebling der Götter und
Menschen, fällt durch SoHFltpst. Dieser stellt ursprünglich wohl die zerstörende
Seite des Sonnengottes dar," wird ' aber zum Gegner der Götter, denen er manchen
bösen Streich spielt, und gilt als Vater her Hel, der Midgardschlange und des ^Lnris-
wojjesi besonders die beiden letzteren galte^M^^MytMre Heindeder Götter. Die
Fcts Recht schützende Seite des Himmelsgottes erscheint verkörpert in dem Gott
Fosite, den die Friesen verehrten. Ihm war die Insel Fositesland geweiht, ein Name,
der später in „hillige (b. i. heiliges) Land" oder Helgoland umgeändert ist.
f. Gottesdienst; Feste. Unsere Voreltern riefen ihre Götter im
Gebet an und suchten sie durch Opfer für sich zu gewinnen oder ihnen
Dank zu bezeugen. Auch den Seelen der Verstorbenen und den Dämonen,
dem Wind, Wasser und Feuer brachten sie Opfer an solchen Speisen und
Getränken dar, die sie selber liebten; zur Sühne wurden auch Menschen
geopfert, und in Zeiten großer Not weihten sich selbst Könige dem Opfer¬
tode für ihr Volk. Orte der Gottes Verehrung waren die Stellen, wo
man die Götter wirksam wähnte: Herd, Haine, Quellen, Meeresufer und
Bergeshöhen; doch fanden sich auch Tempel und Götzenbilder. Jeder
opferte für sich, der Vater für die Familie; 'als aber mehrere Gemeinden
sich zu Opferverbänden zusammenschlossen, wählte man einen Priester, der
opfern, aber auch die Versammlung leiten mußte und deshalb Sträfrecht
besaß. Auch Priesterwnen werden erwähnt; doch war ein abgeschlossener
PrieW^staud..unbEannut. Priester und Priesterinuen hatten auch die Auf¬
gabe zu weissagen: durchs Los, aus Träumen, dem Wiehern der Rosse,
dem Geschrei der Vögel, dem Heuleu des Hundes und aus den Himmels¬
erscheinungen suchten sie die Zukunft zu erfahren. Diese Kunst sowie der
Zauber wurden übrigens auch von anderen geübt und sind noch heute
in unserem Volke nicht ausgerottet.