Full text: Lesebuch für die 3. und 4. Klasse der pfälzischen Volkshauptschulen

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5. 
Am dritten Tage, als die Eltern und Schwestern fort waren, 
ging Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab und sprach zu 
dem Bäumchen: 
„Bäumchen, rüttel' dich und schüttel' dich, 
wirf Gold und Silber über mich!“ 
Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig 
und glänzend, wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffel 
waren ganz golden. Als es in dem Kleide zu der Hochzeit kam, 
wußten sie alle nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Der 
Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer auf⸗ 
forderte, sprach er: „Das ist meine Tänzerin.“ 
Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort und der 
Königssohn wollte es begleiten; aber es entsprang ihm so geschwind, 
daß er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List 
gebraucht und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen; 
da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Wädchens 
hängen geblieben. Der Königssohn hob ihn auf und er war klein 
und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen ging er damit 
zu dem Mann und sagte zu ihm: ‚Keine andere soll meine Ge— 
mahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh paßt.“ 
Da freuten sich die beiden Schwestern; denn sie hatten schöne Füße. 
Die älteste ging mit dem Schuh in die Kammer und wollte ihn an— 
probieren und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der 
großen Zehe nicht hineinkommen und der Schuh war ihr zu klein. 
Da reichte ihr die Mutter ein Wesser und sprach: „Hau die Zehe 
ab! Wann du Königin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuß zu 
gehen.“ Das Wädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in 
den Schuh, verbiß den Schmerz und ging heraus zum Königssohne. 
Da nahm er es als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihm fort. 
Sie mußten aber an dem Grabe vorbei; da saßen die zwei 
Täubchen auf dem Haselbäumchen und riefen: 
„Vucke di guck, rucke di guck, 
Blut ist im Schuck; 
der Schuck ist zu klein, 
die rechte Braut sitzt noch daheim!“ 
Da blickte er auf ihren Fuß und sah, wie das Blut heraus— 
quoll. Er wendete sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder 
nach Haus und sagte, das wäre nicht die rechte, die andere Schwester
	        
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