Full text: Lesebuch für die 3. und 4. Klasse der pfälzischen Volkshauptschulen

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50. Daumesdick. 
Es war ein armer Bauersmann, der saß abends beim Herd und 
schürte das Feuer und die Frau saß und spann. Da sprach er: „Wie 
istss so traurig, daß wir keine Kinder haben! Es ist so still bei uns und 
in den anderen Häusern ist's so laut und lustig.“ — „Ja“ antwortete 
die Frau und seufzte, „wenn's nur ein einziges wäre und wenn's auch 
ganz klein wäre, nur daumensgroß, so wollt' ich schon zufrieden sein; wir 
hätten's doch von Herzen lieb.“ Nun geschah es, daß sie ein Kind bekamen, 
das zwar an allen Gliedern vollkommen, aber nicht länger als ein Daumen 
war. Da sprachen sie: „Es ist, wie wir es gewünscht haben, und es soll 
unser liebes Kind sein“, und nannten es nach seiner Gestalt „Daumesdick.“ 
Sie ließen's nicht an Nahrung fehlen; aber das Kind ward nicht größer, 
sondern blieb, wie es in der ersten Stunde gewesen war; doch schaute es 
verständig aus den Augen und zeigte sich bald als ein kluges und behendes 
Ding, dem alles glückte, was es anfing. 
Der Bauer machte sich eines Tages fertig in den Wald zu gehen und 
Holz zu fällen; da sprach er so vor sich hin: „Nun wollt' ich, daß einer da 
wäre, der mir den Wagen nach brächte!“ — „O Vater!“ rief Daumesdick, 
„den Wagen will ich schon bringen, verlaß dich darauf, er soll zur be— 
stimmten Zeit im Walde sein.“ Da lachte der Mann und sprach: „Wie 
sollte das zugehen? Du bist viel zu klein um das Pferd mit dem Zügel 
zu leiten.“ — „Das tut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen 
will; ich setze mich dem Pferde ins Ohr und rufe ihm zu, wie es gehen 
soll.“ — „Nun,“ antwortete der Vater, „einmal wollen wir's versuchen.“ 
Als die Stunde kam, spannte die Frau an und setzte Daumesdick ins Ohr 
des Pferdes und dann rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte: „Hüh 
und hoh, hot und har!“ Da ging es ganz ordentlich wie bei einem 
Meister und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde. Es trug 
sich zu, als er eben um eine Ecke bog und der Kleine „har, har!“ rief, daß 
zwei fremde Männer daherkamen. „Mein“, sprach der eine, „was ist das? 
Da führt ein Wagen und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu und ist doch 
nicht zu sehen.“ — „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“, sagte der 
andere; „wir wollen dem Karren folgen und sehen, wo er anhält.“ Der 
Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein und richtig zu dem Platze, 
wo das Holz gehauen ward. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief 
er ihm zu: „Siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen; nun hol' mich 
herunter!“ Der Vater faßte das Pferd mit der Linken und holte mit der 
Rechten aus dem Ohre sein Söhnchen, das sich lustig auf einen Strohhalm 
niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten,
	        
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