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dieser Prachtzimmerchen. Bei den Tulpen, Lilien, Hyazinkhen und anderen
sind selbst die Kelchblätter herrlich gefärbt, so daß sie von den Blumen—
bläklern nicht zu unterscheiden sind. Die prächtigsten Farben wetteifern
hier miteinander. Dabei erscheinen die einen wie aus Seide gewebt, die
andern dünken uns aus Samt gefertigt, und wieder andere schimmern
wie Marzipan. Zwischen diesen Blättern stehen Krüge mit kostbarem
Honig gefüllt, und die Staubgefäße, die goldenen Wiegen der Blüten—
stäubchen, schaukeln ihre wunderbar gebauten Staubsäckchen auf schwankenden
Stielen. Diese Blütenstäubchen sind je nach der Art der Blumen ver—
schieden gefärbt. Haben sie in den Staubsäckchen ihre hinreichende Größe
erreicht, so öffnen sich die letzteren, die Stäubchen fallen heraus und ge—
langen auf die Narbe des Stempels. Dieser nimmt gewöhnlich die Mitte
der Blüte ein. Die Narbe strotzt von Honig als Nahrung für die an—
kommenden Stäubchen. Der untere Teil des Stempels ist der Frucht—
knoten. Er enthält im Inneren die Samenknospen. Jede derselben ist
ein Bettchen für ein hineinwachsendes Samenkorn. In jeder Samenknospe
bildet sich ein winziges Keimpflänzchen aus.
Besiehst du die Blume durch ein Vergrößerungsglas, so öffnet sich
eine neue Welt deinen erstaunenden Blicken. Jedes Blättchen gleicht
einem schimmernden Teppich aus Perlen gewebt. Spiegelnde Nektartropfen
funkeln wie Edelsteine dazwischen, und mitten drin spazieren zierliche kleine
Fliegen mit Federbüschen auf dem goldschimmernden Kopfe und Flügeln,
die so zart sind, als seien sie aus Mondschein gewebt und mit Perlmutter—
schmelz überzogen.
Da der Herr für die Kindlein der Blumen so wunderbar sorgt,
wie sollte er deiner vergessen, o Menschenkind!
8. Bete und arbeite.
Bete und arbeitel — Betel heibt's zuerst. Das ist der
Morgensegen und der Tagessegen und der Abendsegen. Vo das
Gebet das Tagewerk beginnt, fortsetzt und endet, da hilft Gott
arbeiten. Es geht frisch und freudig von der Hand und gibt
ein ordentlich Stüek. Da ist das «Arbeitel» keine Last und Bürde,
sondern einé Lust und Mürde. So lege ich das Sprüchlein aus:
Hll᷑ dir selbst, so hilft dĩr Gott. — Das Beten allein thuts
nieht, aber das Arbeiten ohne Beten thuts auch nicht; denn dem
fehlt der Segen Gottes. Drum beides zusammen und nie getrennt,
das ist das Rechte und Lehte. Die Alten wubten recht gut aus