III. Die klassische Zeit 1750—1832.
Friedrich Gottlieb Klopstock
geb. in Quedlinburg 2. Juli 1724, gest. in Hamburg 14. März 1803.
1. Aus dem Messias.
(Eingang.)
Sing', unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung,
die der Messias auf Erden in seiner Menschheit vollendet
und durch die er Adams Geschlecht zu der Liebe der Gottheit,
leidend, getötet und verherrlichet, wieder erhöht hat.
Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich
Satan gegen den göttlichen Sohn; umsonst stand Juda
gegen ihn auf: er tat's und vollbrachte die große Versöhnung.
Aber, 0 Tat, die allein der Allbarmherzige kennet,
darf aus dunkler Ferne sich auch dir nahen die Dichtkunst?
Weihe sie, Geist Schöpfer, vor dem ich hier still anbete,
führe sie mir als deine Nachahmerin voller Entzückung,
voll unsterblicher Kraft, in verklärter Schönheit entgegen!
Rüste mit deinem Feuer sie, du, der die Tiefen der Gottheit
schaut und den Menschen, aus Staube gemacht, zum Tempel sich heiligt!
Nein sei das §)erz! So darf ich, obwohl mit der bebenden Stimme
eines Sterblichen, doch den Gottversöhner besingen
und die furchtbare Bahn mit verziehenem Straucheln durchlaufen.
Menschen, wenn ihr die Roheit kennt, die ihr damals empfinget,
da der Schöpfer der Welt Versöhner wurde, so höret
meinen Gesang, und ihr vor allen, ihr wenigen Edlen,
teure, herzliche Freunde des liebenswürdigen Mittlers,
ihr mit dem kommenden Weltgerichte vertraulichen Seelen,
hört mich und singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben!
2. Der Züricher See.
Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,
das den großen Gedanken
deiner Schöpfung noch einmal denkt.
Von des schimmernden Sees Traubengestaden her
oder, siohest du schon wieder zum .Fimmel auf,
komm in rötendem Strahle
auf dem Flügel der Abendluft,