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229. Das JIlsethal.
Je tiefer wir vom Brocken hinabstiegen, desto lieblicher rauschte das
unterirdische Gewässer; nur hier und da, unter Gestein und Gestrüppe,
blinkte es hervor und schien heimlich zu lauschen, ob es ans Licht treten
dürfe, und endlich kam eine kleine Welle entschlossen hervorgesprungen.
Nun zeigt sich die gewöhnliche Erscheinung : Ein Kühner macht den An-
fang, und der große Tross der Zagenden wird plötzlich zu seinem eige-
nen Erstaunen von Muth ergriffen, und eilt, sich mit jenem ersten zu
vereinigen. Eine große Menge anderer Quellen hüpften hastig aus ihrem
Versteck, verbanden sich mit der zuerst hervorgesprungenen, und bald
bildeten sie zusammen ein schon bedeutendes Bächlein, das in unzähligen
Wasserfällen und in wunderlichen Windungen das Bergthal hinab-
rauscht. Das ist nun die Ilse, die liebliche, süße Jlsse! Sie zieht sich
durch das gesegnete Ilsethal, an dessen beiden Seiten sich die Berge
allmählich höher erheben, und diese sind bis zu ihrem Fuße meistens
mit Buchen, Eichen und gewöhnlichem Blattgessträuche bewachsen, nicht
mehr mit Tannen und anderem Nadelholz. Denn jene Blätterholzart
ist vorherrschend auf dem Unterharze, wie man die Ostseite des Berges
nennt, im Gegensatz zur Westseite desselben, die der Oberharz heißt und
hjtküg viel höher ist und also auch viel geeigneter zum Gedeihen der
adelhölzer.
s:st unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit und Anmuth die
Ilse sich hinunterstürzt über die abenteuerlich gebildeten Felsstücke, die
sie in ihrem Laufe findet, so dass das Wasser hier wild emporzischt
oder schäumend überläuft, dort aus allerlei Steinspalten, wie aus tollen
Gieskannen, in reinen Bogen sich ergießt, und unten wieder über die
kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mädchen. Ja! die Sage
ist wahr: Die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und blühend den
Berg hinabläuft. Wie blinkt im Sonnenschein ihr weißes Schaumge-
wand! Wie flattern im Winde ihre silbernen Busenbänder! Wie
funkeln und blitzen ihre Diamanten! Die hohen Buchen stehen dabei
gleich ernsten Vätern, die verstohlen und lachend dem Muthwillen des
lieblichen Kindes zusehen; die weißen Birken bewegen sich tantenhaft
vergnügt und doch ängstlich über die gewagten Sprünge; der stolze
Eichenbaum schaut drein, wie ein verdrießlicher Oheim, der das schöne
Wetter bezahlen soll; die Vöglein in den Lüften jubeln ihren Beifall;
die Blumen am Ufer flüstern zärtlich: „O, nimm uns mit, nimm uns
mit, lieb’ Schwesterchen !" H. Heine.
230. Prinzessin Ilse.
In uralten Zeiten hatte ein König im Harze eine schöne Tochter,
Ilse genannt, die von einer bösen Hexe in einen steilen Felsen hinein-
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Felsen, um in dem Flüsschen Jlse, dessen Nix ft auch genannt wird,