Full text: Zweites Lesebuch für die unteren Mittelklassen der deutschen Volksschulen

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Mann und hielt darauf, dass auch seine Kinder fromm und gut 
erzogen wurden. Er versäumte keinen Gottesdienst, vergals nie das 
Beten, sang ost geistliche Lieder und las gern in der Bibel. Daher 
érhielt er den Beinamen „der Fromme“. Als er im Jahre 1596 
starb, hinterliess er einen wohlgeordneten Haushalt, ein schuldenfreies 
Land und einen Schatz von einer halben Nillion. 
218. Rodenstein. 
Die kegelförmigen Berge des Odenwaldes tragen zum Teile Ruinen 
alter Burgen auf ihren Häuptern. Manche derselben dienen noch jetzt 
zur Verschönerung der Umgegend; andere sind so sehr zerfallen, daß sie 
aus der Ferne nicht mehr sichtbar sind. Allein die Volkssagen, welche 
sich an diese Reste einer längst entschwundenen Zeit knüpfen, machen sie 
immer noch interessant für Einheimische und Fremde. 
Zu den wichtigsten dieser verfallenen Schlösser gehören Schnellerts 
und Rodenstein, beide an dem Flüßchen Gersprenz, fast zwei Stunden 
voneinander gelegen. Dort haust als Spukgeist der Ritter von Roden— 
stein. Bei herannahendem Kriege zieht derselbe mit seinem wilden Heere 
bon Burg Schnellerts aus durch das Thal hindurch, ohne sich durch die 
im Wege liegenden Dörfer aufhalten zu lassen, und kehrt in Rodenstein 
ein. Die erschreckten Bewohner erkennen diesen Heereszug bei einbrechen— 
der Nacht an dem Pferdegetrappel, dem Rasseln der Wagen, dem Klirren 
der Waffen, dem Schnauben und Wiehern der Rosse, dem Klange von 
Hörnern, dem Bellen der Hunde und an dem schrecklichen Rufe: „Huhu!“ 
Die ganze Luft ist mit Getümmel erfüllt, und ein Brausen, wie das des 
Sturmes, erfüllt das ganze Thal. Der Zug hält aber nicht die Straße 
oder das Bett des Flüßchens ein, sondern geht immer gerade durch die 
Scheuer eines Bauern. An der Schmiede eines anderen Dorfes macht 
er Halt, und die Pferde werden beschlagen. Endlich ist der ganze Spuk 
vorüber, ohne daß jemand Leid zugefügt worden wäre. Auch hat man 
im Thale Ruhe, bis der ausgebrochene Krieg zu Ende geht. Dann 
kündigt Rodenstein durch seinen Rückzug nach Schnellerts den baldigen 
Frieden an, ganz mit demselben grausigen Spuk wie früher den Krieg. 
Nach Curtman. 
219. Das Felsenmeer. 
Vor Zeiten, als es noch Riesen gab, wohnten zwei derselben in 
der Gegend von Reichenbach, der eine auf dem Felsberg, der andere auf 
dem Hohenstein. Einst hatten sie Streit miteinander bekommen und 
warfen sich in ihrer Wut mit ungeheuren Felsblöcken. Dazumal war der 
Felsberg noch ziemlich kahl; auf dem Hohenstein aber lagen Felsstücke in 
Menge, so daß der da wohnende Riese gegen seinen Feind im Vorteil 
war. Er warf auch so heftig auf ihn los, daß der Felsberger in kurzer
	        
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