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so lange halten lassen, bis die Krücken herbeigebracht wurden, auf
die er sich stützte. „He!“ fragte er, „hast du noch Lust, mit mir zu
tauschen?“
„Bei Gott nicht!“ gab der erschrockene Kunz zur Antwort. „Meine
Beine sind mir lieber als tausend Pferdefüße. Ich will lieber Schwarz⸗
brot essen und mein eigener Herr sein, als Wein und Braten haben
und mich wie ein kleines Kind von anderen umherführen lassen. Gott
behüte mich!“
Mit diesen Worten stand er auf und ging fort.
„Hast recht!“ rief ihm der Reiche nach. „Könntest du mir deine
gesunden Schenkel geben, du solltest meinen Wagen, meine Rappen, mein
Geld, kurz, alles dafür haben! Ein gesunder armer Mann
ist glücklicher als ein reicher Krüppel!“
269. Vom Gebrauche der Glieder.
Soll dein Thun Gott wohlgefallen, deiner Zunge, daß sie bringe
so gebeunt den Gliedern allen: Dank dem Schöpfer aller Dinge;
deinem Auge, daß es spähe deinen Händen, daß sie spenden,
Gutes fern und in der Nähe; das Erworb'ne nicht verschwenden;
deinem Ohre, daß es höre deinen Füßen, daß sie gern
weisen Rat und fromme Lehre; gehen zu dem Haus des Herrn.
Rückert.
270. Die Finger.
Einst lag in meinem Bette ich und schlief und träumte sicherlich;
doch weiß ich's nicht gewiß zu sagen, will mich darum nicht lange plagen.
Auf einmal hört ich sprechen leise auf eine ganz besondere Weise; es
wurde laut und kräftiger und endlich immer heftiger. Es war gar niemand
in der Nähe; ich wußte nicht, wie das geschehe. Ich horchte still und
lauschte lang; wer war's denn nur? — Die kleinen Dinger auf meinem
Dedbelt — meine Finger. Die zankten lang sich hin und her, wer
doch der Wichtigste wohl wär'. „Still da! der Stärkste der bin ich.
Ihr seid nichts nütze ohne mich! Mehr, als ihr vier, thu' ich allein;
drum muß ich euer König sein!“ So schrie der Daumen. Schon ge—
ringer erhob die Stimm' der Zeigefinger: „Die gröbsten und die feinsten
Sachen kann ich allein am besten machen! Der Fleißigste und Tüchtigste
bin ich und drum der Wichtigste!“ — Der Mittelfinger rief: „Lernt
Sulte! Als Herr steh' ich in eurer Mitte! Ich bin der Längste und der
Größte und darum auch der Allerbeste.“ — Da sagt der Goldfinger:
„Nun seht, ich merke, daß ihr nichts versteht; mich schmücken Gold und
Edelstein; drum muß ich mehr als ihr doch sein!“ — Der kleine Finger
stille schwieg und mischte nicht sich in den Krieg. Da riefen ihm die
udern zu „Sprich doch! was nützest denn nur du?“ Er sprach: