196. Die Deutschen um die Seit von Christi Geburt.
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1. Deil dir im Siegerkranz,
Herrscher des Vaterlands!
Heil, König, dir!
Fühl in des Thrones Glanz
die hohe Wonne ganz,
Liebling des Volks zu sein!
Heil, König, dir!
2. Nicht Roß, nicht Reisige,
sichern die steile Höh',
wo Fürsten stehn!
Liebe des Vaterlands,
Liebe des freien Manns
gründen des Herrschers Thron,
wie Fels im Meer.
195b. Heil dir im Siegerkranz.
3. Heilige Flamme, glüh',
glüh' und verlösche nie
sür's Vaterland!
Wir alle stehen dann
mutig für einen Mann,
kämpfen und bluten gern
für Thron und Reich.
4. Handlung und Wissenschaft
heben mit Mut und Kraft
ihr Haupt empor.
Krieger und Heldenthat
finden ihr Lorbeerblatt
treu aufgehoben dort
an deinem Thron.
—
5. Sei, König Wilhelm, hier
lang deines Volkes Zier,
der Menschheit Stolz!
Fühl' in des Thrones Glanz
die hohe Wonne ganz
Liebling des Volks zu sein!
Heil, König, dir!
(Schumacher nach Harries.)
196. Die Deutschen um die Zeit von Christi Geburt.
bꝛ Sinnesart, Lebensweise und Sitten unserer Vorfahren vor ——
Jahrhunderten haben wir von ihnen selbst keine Berichte, denn sie konnten
weder lesen noch schreiben; aber die Römer, welche damals auf der Höhe ihrer
Macht und Bildung standen, drangen von dem eroberten Gallien etzt Frank—
reich) aus häufig in Deutschland ein, und da sie also vielfach in friedliche oder
in feindliche Berührung mit den Bewohnern desselben gerieten, so hatten sie
Gelegenheit genug, die Germanen, wie sie sie nannten, kennen zu lernen. Sie
betrachteten das rohe Naturvolk mit einem aus Furcht und Bewunderung gemisch⸗
ten Gefühl, und so kam es, daß ihre Schriftsteller demselben bald eine ganz
besondere Beachtung widmeten.
1. Das Land war damals größtenteils noch mit Urwald bedeckt, doch
hatte die Art schon begonnen, weite Flächen urbar zu machen. Im Dickicht
der Wälder hausten Auerochsen, Elentiere, Bären, Eber, Wölfe und zahlloses
Hochwild. Städte gab es nirgends, auch nicht gebahnte Wege und Brücken.
Die Bewohner des Landes waren vor allen Völkern ausgezeichnet durch ihre
blauen Augen, ihr rötlich gelbes Haar und ihren riesenhaften Wuchs: sie sollen
durchweg zwei Meter hoch gewesen sein. Eine unbändige Kraft lebte in ihnen.
Übermütig wie Knaben fuhren sie auf ihren Holzschilden die beeisten Abhänge
der Berge herab, über sechs Rosse hinwegspringen zu können, war ihnen ein
hoher Ruhm, und die größte Kriegsehre sahen sie darin, mit der Faust die
Stärksten erlegt zu haben. Daher beseelte sie ein stolzes Unabhängigkeitsgefühl:
niemandem zu gehorchen, keines andern zu bedürfen, ganz auf sich allein ange⸗
wiesen zu sein, war ihnen die größte Lebensfreude. Namentlich im Norden mie⸗
den sie es deshalb, gesellig in Dörfern zu wohnen; am liebsten hauste jede