Full text: Norddeutsches Lesebuch

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3. 
Der Kölner Karneval.^) 
Das Fest zerfällt in zwei Abtheilungen, in die Vorbereitungen und 
die Ausführung selbst. Am Neujahrstage versammeln sich alljährlich zu- 
erst die Anhänger des Helden Karneval und die sogenannten „Komittees", 
um einen Vorstand zu wählen, den „kleinen Rath", bestehend aus 11 Per- 
sonen (diese Zahl spielt als Narrenzahl eine große Rolle), nämlich die 
Präsidenten, Secretär, Kassirer, Dichter, Componist u. s. w. Die General- 
Versammlungen werden gewöhnlich Sonntags in Sälen gehalten, deren 
Wände u. s. w. einen für diese Zeit passenden Schmuck in komischen, saty- 
rischen, oft derben Bildern enthalten, z. B. ein Ochs stiert in den Rhein, 
denselben beobachtend u. dgl. m. ; die Mitglieder sitzen aus langen Bänken, 
die gelbroth-grün-weiße Schellenkappe auf dem Kopfe, die Flasche vor 
sich. Karnevalistische Ouvertüren, Märsche, Lieder werden vom Orchester 
und der Versammlung ausgeführt, Reden, Gedichte und Erzählungen 
im plattkölnischen Dialekt rezitirt, und Berathungen über Anordnung 
des Hauptfestes, Cassa u. s. w., aber Alles in komischer, lustiger, oft 
beißend satyrischer Weise gehalten. Selten hört man ein ernstes Wort, 
desto mehr Jubel, Beifall und Tusch, wenn ein guter Witz vom Stapel läuft. 
Rednerbühne ist ein hohles Faß; die ersten Behörden der Stadt 
werden eingeladen, zu Ehrenmitgliedern ernannt und zuweilen auch den 
Damen Zutritt gegönnt, die dann besonders geehrt und auch gehechelt 
werden. So bereitet man das Fest vor, während die Maskenanzüge an- 
gefertigt, Wagen erbaut und ausgeschmückt, und bei den Damen der Stadt 
Blumen gesammelt werden, Hanswursts Wagen damit zu schmücken. 
Eröffnet wird das Fest mit dem Weiberfastnacht, am Donnerstag 
Mittag vor der eigentlichen Fastnacht. Früher wurden an diesem Tage 
aus dem Altenmarkte den Marktweibern die Körbe von der Straßen- 
jugend umgestürzt, auch prügelten sich wohl zur Erhöhung der Feier 
diese Weiber selber. Alles das ist heute milderen Sitten gewichen. 
Höchstens besaufen sich an diesem Tage die „Kappesbauern" in gutem 
Weine in der Mühlengasse oder am Malzbüchel. 
Am Nachmittage zieht eine kleine Maskerade einer jeden Gesellschaft 
durch einige Straßen nach den betreffenden Versammlungsorten. Diese 
Züge sind aber nichts weniger als schön, vielmehr bilden sie einen starken 
Eontrast zu den späteren Hauptzügen, bei denen jeder Acteur und Zu- 
schauer zugleich ist. Diesmal ist es nur ein Eonglomerat von alten ab- 
genutzten Masken. 
Freitag und Samstag sind der Ruhe gewidmet, aber Sonntag Nach- 
mittag finden die letzten Generalversammlungen Statt, zu welchen sich 
die Theilnehmer in einer sogenannten Kappenfahrt, d. h. mit Musik- 
*) Von einem Kölner.
	        
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