— 115 —
kein Mehl mehr, nicht einmal ein Ei. Gib uns doch etwas zu
essen, damit wir samt unserer lieben Mutter nicht verhungern
müssen. Ach ja, hilf uns! Du bist ja reich und mächtig; du kannst
uns leicht helfen, und du hast es uns noch dazu versprochen!“
So betete Christian in seiner kindlichen Einfalt und ging
dann in die Schule. Als er nach Hause kam, erblickte er auf dem
Tisch ein großes Laib Brot, eine Schüssel voll Mehl und ein
Körbchen voll Eier. „Nun Gott sei Dank!“ rief er freudig, „Gott
hat mein Gebet erhört. Sag doch, liebe Mutter, hat ein Engelein
dieses alles zum Fenster hereingebracht?“
„Nein,“ sagte die Mutter, „aber Gott hat dein Gebet dennoch
erhört. Als du am Altare betetest, kniete die Frau Amtmann in
ihrem vergitterten Kirchenstuhle. Du konntest sie nicht sehen; aber
sie hat dich gesehen und dein Gebet gehört. Deshalb hat sie uns
dieses alles geschickt; sie war der Engel, durch den Gott uns ge—
holfen hat. Kinder, so danket denn alle Gott, seid fröhlich und
vergeßt in eurem Leben nicht den schönen Spruch:
Gott kann dich wunderbar erhalten;
verkrau auf ihn und laß ihn walten!“
163. Der Regen.
Christoph von Sehmid.
Ein Kaufmann ritt einst vom Jahrmarkte nach Hause und
hatte hinter sich ein Pelleisen mit vielem Gelde aufgepackt.
Es regnete heftig, und der Mann wurde dureh und durch nabß
Darüber war er sehr unzufrieden und murrte sogar über das
schlechte Reisewetter.
Jetzt kam er in einen dichten Wald und sah mit UEnt-
setzen einen Räuber am Wege stehen, der mit einer Hinte auf
ihn zielte. Allein von dem Regen war das Pulver feucht ge—
worden, und die Flinte ging nicht los. Der Kaufmann gab dem
Pferde den dporn und entkam glücklich.
As er nun in Sicherheit war, sprach er: „Weleh ein
Tor bin ich gewesen, daß ieh das Regenwetter nicht als eine
Schickung Gottes annabn! Väre das Wetter trocken gewesen,
so läge ieh jetzt in meinem Blute, und meine gute Frau mit
fünf Hleinen Kindern wartete vergebens auf meine Heimkuntt.
Der Regen., über den ich murrte, rettete mir Gut und Leben.“
Was Gott sehiekt, das ist wohlgemeint,
wenn es aueh anfangs anders scheint.