107
rief er den Schiffsjungen in die Kajüte und sprach: „Hole deine
Mühle, und mahle mir frische Hühner““ Der Knabe ging und holte
einen Korb voll frischer Hühner. Damit jedoch war der gottlose Mensch
nicht zufrieden. Er schlug den armen Jungen so lange, bis dieser ihm
die Mühle holte und ihm sagte, was er sprechen müsse, wenn sie
mahlen solle. Den andern Spruch aber, wenn sie aufhören solle, lehrte
er ihn nicht, und der Schiffshauptmann dachte auch nicht daran, ihn
darum zu fragen. Als der Junge gleich nachher allein auf dem Ver—
decke stand, ging der Hauptmann zu ihm und stieß ihn ins Meer und
dachte nicht daran, wieviel Sorge und Mühe er Vater und Mutter ge—⸗
macht hatte, und wie die blinde Großmutter auf seine Rückkehr hoffte.
Daran dachte er nicht, sondern stieß ihn ins Meer und sagte, er sei
verunglückt, und meinte, damit sei alles abgetan.
Hierauf ging der Hauptmann in seine Kajüte. Und da es eben
an Salz fehlte, sagte er zu der kleinen Mühle:
„Mühle, Mühle, mahle mir
weiße Salzkörner gleich allhier!“
Da mahlte sie lauter weiße Salzkörner. Als aber der Napf voll war,
sprach der Schiffshauptmann: „Nun ist's genug!“ Doch sie mahlte
immerzu, und er mochte sagen, was er wollte, sie mahlte immerzu, bis
die ganze Kajüte voll war. Da faßte er die Mühle an, um sie über
Bord zu werfen, erhielt aber einen solchen Schlag, daß er wie betäubt
zu Boden fiel. Und sie mahlte immerzu his das ganze Schiff voll
war und zu sinken begann, und ist nie größere Not auf einem Schiffe
gewesen. Zuletzt faßte der Schiffshauptmann sein gutes Schwert und
hieb die Mühle in lauter kleine Stücke. Aber siehe! aus jedem kleinen
Stucke wurde eine kleine Mühle, gerade wie die alte gewesen war, und
alle Mühlen mahlten lauter weiße Salzkörner. Da war's bald ums
Schiff geschehen. Es sank unter mit Mann und Maus und allen
Mühlen. Diese aber mahlen unten am Grunde noch immerzu lauter
weiße Salzkörner. Und wenn du ihnen nun auch den rechten Spruch
zuriefest, sie stehen so tief, daß sie es nicht hören würden. Siehe, da—
von ist das Meerwasser so salzig. Theodor Colshorn.
118. Strandbild.
1. Das RVischerdorf ist leer.
Am Strande steh'n die EFrauen,
die aufs bewegte Meer
mit trüben Blicken schauen.