Full text: (Für das dritte Schuljahr) (Band 2, [Schülerband])

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129. Der kluge Landmann und sein Pferd. 
Christoph von Schmid. 
1. Einem Bauersmanne wurde zur Nachtzeit sein schönstes 
Pferd aus dem Stalle gestohlen. Er reiste fünfzehn Slunden 
weit auf einen Pferdemarkt, um ein anderes zu kaufen. 
Aber sieh! — unter den Pferden auf dem Markte erblickte 
er auch sein Pferd. Er griff es sogleich bei dem Zügel und 
schrie laut: „Der Gaul ist mein! Vor drei Tagen ist er mir 
gestohlen worden!“ 
2. Der Mann, der das Pferd zu verkaufen hatte, sagte sehr 
höflich: „Ihr seid unrecht daran, üeber Freund. Ich habe das 
Roß schon über ein Jahr. Es ist nicht Euer Roß, es sieht ihm 
vielleicht ähnlich.“ 
3. Der Bauer hielt dem Pferde geschwind mit beiden 
Händen die Augen zu und rief: „Nun, wenn Ihr den Gaul 
schon lange habt, so sagt, auf welchem Auge ist er blinde 
Der Mann, der das Pferd wirklich gestohlen, aber noch 
nicht so genau betrachtet hatte, erschrak. Weil er indes doch 
etwas sagen mußte, so sagte er aufs Geratewohl: „Auf dem linken 
Auge.“ 
„Ihr habt es nicht getroffen“, sagte der Bauer, „auf dem 
linken Auge ist das Tier nicht blind“ „Ach!“ rief jebt der 
Mann, „ich habe mich nur versprochen! Auf dem rechten Auge 
ist es blind.“ 
4. Nun deckte der Bauer die Augen des Pferdes wieder 
auf und rief: „Jetzt ist es klar, daß du ein Dieb und ein Lügner 
bist. Da seht alle her, der Gaul ist gar nicht blind. Ich fragte 
nur so, um den Diebstahl an den Tag zu bringen.“ 
5. Die Leute, die umherstanden, lachten, Uatschten in die 
Hände und riefen: „Ertappt, ertappt!“ Der Roßdieb mußte 
das Pferd wieder zurückgeben und wurde zur verdienten Strafe 
gezogen. 
130. Nachgeben stillet den Krieg. 
1. Zwoei Fuhrleute begegneten einander in einem Hobl- 
wege, und es war nicht leicht, wie der eine dem andern 
ausweichen sollto. „FPahre mir aus dem Wego!“ rief doer 
eine. „Hi, so fahre du mir aus dem Wege!“ schrie der 
andere. „Ieh will nicht!“ sagte der eine; „und ich brauche 
es nicht!“ sagte der andere, und weil keiner nachgab. kam 
es zu heftigem Zanke und zu Scheltworten. 
2. „Höre du“, sagto endlieh der erste, „jetzt frage 
ieh dich zum letzten Male, willst du mir aus dem Woege 
fahren oder nicehbb? Tust du's nicht, so mache ich's mit 
dir, wie ich's heuteé sehon mit einem gemacht habe.“ — 
Das schien dem andern doch eine bedenkliche Drohung. 
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