125
*4
an, und du mußt darin sterben.“ Da nun der König sah, daß es
ihnen ernst war, sprach er ganz leidig zu ihnen: „So gebt mir doch
nur acht Tage Frist, daß ich meiner Tochter Leid beklage.“ Dies ward
ihm bewilligt. Als aber die Zeit um war, lief das Volk alsbald vor
den Palast, drohte mit Schwert und Feuer und schrie: „Haben wir
nicht Gut und Blut geopfert, und nun die Reihe an dich gekommen
ist, willst du zögern, Gleiches mit Gleichem zu vergelten? Willst du
unm das Leben deiner Tochter dein ganzes Volk dem Drachen opfern?“
Da es nun nicht anders sein mochte, ergab er sich darein. Er
kleidete sein Kind in königlich Gewand, umfing sie mit Weinen und
Klagen und sprach: „Ach weh mir armen Manne! Was soll ich an—
fangen? Deine Hochzeit gedachte ich in Pracht und Herrlichkeit aus⸗
zurichten, du solltest Lust und Freude haben; nun muß ich dich dem
grausen Drachen geben. Ach, wollte Gott, ich stürbe vor dir, daß ich
nicht dein rotes Blut fließen sähe!“ Mit Küssen und Tränen bedeckte
er ihr liebes Gesicht; die Jungfrau fiel ihm zu Füßen und sprach:
„Lebt wohl, lebt wohl, mein Herr Vater! Gern sterb' ich um des
Volkes Erlösung.“
Man führte sie vor die Stadt hinaus; sie kniete zum Gebet auf
dem Steine nieder und wartete ihres Endes. Da kam der Ritter von
Frankenstein und fragte sie voll Erbarmens: „Zarte Jungfrau, sage
mir, warum stehst du in solchem Leid?“ Die Jungfrau antwortete:
„Frage nicht, fliehe eilends von dieser Stätte, daß du nicht mit mir
sterben müssest.“ Er sprach: „O, sorge dich nicht um mich; gib mir
vielmehr kurzen Bescheid, wes ich dich frage. Was bedeutet's, daß ich
dich allein weinen sehe und ein großes Volk steht gaffend umher?“
Die Jungfrau erwiderte: „Ich merke, Ihr habt ein männliches Ritter⸗
herz. Was wollt Ihr mit mir zugrunde gehen? Für mich ist keine
Hilfe!“ Da sagte sie ihm, welch schrecklich Verhängnis ihr bestimmt
sei; aber der gute Ritter ließ sie kaum zu Ende reden. „Seid ge⸗—
tröstet,“ sprach er, „habt frohen Mut, ich will mit Hilfe des Sohnes
Gottes Euch ritterlichen Beistand tun,“ und wie dringend sie ihn bat
und warnte, er blieb fest dabei. Da kam der greuliche Drache daher
gebraust. „Fliehet, Ritter, schonet Euer junges Leben!“ sprach sie;
aber der Ritter saß geschwind zu Roß. Gar christlich und ritterlich
segnete er sich mit dem heiligen Kreuze, dann rannte er mit seinem
Spieß den Drachen an und stieß ihm den Schaft so tief in den
schuppichten Leib, daß er jählings zur Erde sank; alsbald zog der
Ritter sein breites Schwert aus und machte dem Würger ein Ende.
Da sagte er Gott dem Herrn Dank, eilte zur Jungfrau zurück, schwang
sie vor sich auf sein Roß und ritt mit ihr vor den Palast des Königs.