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tun sei. Endlich dachte er: Ich will ihr eine Ladung des köstlichen
Weizens bringen; was ist Schöneres und Edleres zu finden auf Erden
als dies herrliche Korn, dessen kein Mensch entbehren kann! Also
steuerte er nach Danzig, befrachtete sein Schiff mit ausgesuchtem Weizen
und kehrte alsdann, immer noch unruhig und furchtsam vor dem Aus—
gang, wieder in seine Heimat zurück.
„Wie, Schiffsmeister,“ rief ihm die Jungfrau entgegen, „du bist
schon hier? Ich glaubte dich an der Küste von Afrika, um Gold und
Elfenbein zu handeln; laß sehen, was du geladen hast.“ Zögernd,
denn an ihren Reden sah er schon, wie wenig sein Einkauf ihr behagen
würde, antwortete er: „Meine Frau, ich führe Euch zu dem köstlichsten
Weizen, der auf dem ganzen Erdreich mag gefunden werden.“
„Weizen,“ sprach sie, „so elendes Zeug bringst du mir?“ — „Ich
dachte, das wäre so elend nicht, was uns unser tägliches und gesundes
Brot gibt.“ — „Ich will dir zeigen, wie verächtlich mir deine Ladung
ist; von welcher Seite ist das Schiff geladen?“ — „Von der rechten
Seite,“ sprach der Schiffsmeister. „Wohlan, so befehle ich dir,
daß du zur Stunde die ganze Ladung auf der linken Seite in die
See schüttest; ich komme selbst hin und sehe, ob mein Befehl erfüllt
worden ist.“
Der Seemann zauderte, einen Befehl auszuführen, der sich so
greulich an der Gabe Gottes versündigte, und berief in aller Eile alle
armen und dürftigen Leute aus der Stadt an die Stelle, wo das Schiff
lag, durch deren Anblick er seine Herrin zu bewegen hoffte. Sie kam
und fragte: „Wie ist mein Befehl ausgerichtet?“ Da fiel eine Schar
von Armen auf die Knie vor ihr und baten, daß sie ihnen das Korn
lieber austeilen möchte, als es vom Meere verschlingen zu lassen. Aber
das Herz der Jungfrau war hart wie Stein, und sie erneuerte den
Befehl;, die ganze Ladung schleunigst über Bord zu werfen. Da be—
zwang sich der Schiffsmeister länger nicht und rief laut: ‚„Nein, diese
Bosheit kann Gott nicht ungerächt lassen, wenn es wahr ist, daß der
Himmel das Gute lohnt und das Böse straft; ein Tag wird kommen,
wo Ihr gerne die edeln Körner, die Ihr so verspielt, eins nach dem
andern auflesen möchtet, Euern Hunger damit zu stillen!“ — „Wie,“
rief sie mit höllischem Gelächter, „ich soll dürftig werden können? Ich
soll in Armut und Brotmangel fallen? So wahr das geschieht, so
wahr sollen auch meine Augen diesen Ring wieder erblicken, den ich
hier in die Tiefe der See werfe.“ Bei diesem Worte zog sie einen
kostbaren Ring vom Finger und warf ihn in die Wellen. Die ganze
Ladung des Schiffes und aller Weizen, der darauf war, wurde also
in die See geschüttet