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Biene; sie steht im Dienste der fleißigen Imme. Sollte Bienlein keinen
Gegendienst leisten? Sollte sie nur Empfängerin sein? O nein, es
ist wunderbar, wie sie der Kirschblüte dient.
Hunderte winziger, gelber Blütenstaubkörbchen werden von den
Staubgefäßen der Kirschblüte erzeugt. Die Biene kommt hastig geflogen
und setzt sich mit einem gelinden Ruck auf ein Blütenblatt wie auf
ein sauberes Trittbrettchen, so daß die Blüte schwankt und gerüttelt
wird. Nun fährt sie mit Kopf und Brust hinein in den Fädenkranz
und stößt daran, daß der Blütenstaub ausstäubt. Ganz gelb bepudert
wird Bienchen an Kopf und behaarter Brust und sieht dann aus wie
ein Mühlknappe, der vom Mehl bestäubt aus der Mühle tritt. Die
Honigsucherin fliegt zur nächsten Blüte, will auch da Honig haben
und bringt Blütenstaub mit. Siehe, da streift sie mit ihrem Pelzrock
den Stempel dieser Blüte! Einige Körnchen fliegen auf die klebrige
Narbe und bleiben haften. Sie werden von dem klebrigen Stoffe der
Narbe angefeuchtet und treiben ein Keimfädchen hinab in den Frucht—
knoten, das diesen auf wunderbare, unbegreifliche Weise befruchtet.
Bald schwillt der Fruchtknoten an und bildet sich in den nächsten
Wochen zur Kirsche aus. So steht die Biene im Dienste der Kirsch—
blüte zu deren Befruchtung.
Du erkennst an diesem einen Beispiel schon, daß in der Natur
eins dem andern dient. So stehen aber Biene und Kirschblüte zwiefach
im Dienste des Menschen; die Biene als Honigsammlerin und Blüten—
befruchterin, die Kirschblüte als Honigquelle und später als Spenderin
süßer Frucht.
Wenige Tage später wirst du sehen, daß dasselbe Schauspiel am
Birnbaum, am Pflaumen- und Apfelbaum sich wiederholt.
Karl Lutz.
145. Freund Spa.
Hat Freund Spatz im Lenz sich ein Weibchen erworben, so muß
der Hausstand eingerichtet werden. Nun ist aber der Spatz ein aus—
gesprochener Faulenzer, steht er doch früh zu einer Zeit auf, wo andere
Vögel, Rotschwänzchen, Schwalben und Amseln, schon seit Stunden in
Tätigkeit sind. Zufolge dieser Eigentümlichkeit hat er auch für das
Nesterbauen kein rechtes Talent und wenig Verständnis. Irgend ein
günstiger Unterschlupf ist erspäht, ein Raum zwischen einem Firmen—
schild und der Hauswand, ein Luftloch in der Mauer, ein Sprung im
Dachkasten, vielleicht auch eine Baumhöhlung — da geht es an das
Einschleppen von Niststoffen. Wählerisch wird dabei nicht verfahren,