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2. Sind auch Vater, Mutter weit, und sein Vaterherz betrübest!
er ist bei dir allezeit. Ach, das wär' dir künftig leid!
Daß du ja kein Unrecht übest Wilhelm Hey. Moch fünfzig Fabeln.)
60. Der Kuhhirt.
5 1. Ein Knabe weidete ein Rind auf einem Grasplatz neben einem
Garten. Als er nun in die Höhe sah nach einem Kirschbaum, merkte
er, daß einige reife Kirschen darauf saßen, die glänzten ihm rötlich
entgegen, und es gelüstete ihn, sie zu pflücken. Da ließ er das Tier und
kletterte auf den Baum.
10 2. Die Kuh aber, da sie den Hirten nicht sah, ging davon, brach
in den Garten und fraß Blumen und Kräuter nach ihrem Gelüste, andres
zertrat sie mit den Füßen. Als der Knabe solches sah, ward er sehr
entrüstet, sprang von dem Baume auf die Erde, lief hin, ergriff das
Rind und schlug und schmähte es jämmerlich.
5 3. Da trat der Vater, der alles gesehen hatte, zu dem Knaben, sah
ihn ernstlich an und sprach: „Wem gebührt solche Züchtigung, dir oder
dem Tiere, das nicht weiß, was rechts oder links ist? Bist du minder
deinem Gelüste gefolgt als das Tier, das du leiten solltest? Und nun
übst du solch ein unbarmherzig Gericht und vergißt deiner Vernunft und
20 deiner eignen Sünde?“ Da schämte sich der Knabe und errötete vor
dem Vater. Friedrich Adolf Krummacher. GParabeln)
61. Das Lämmchen.
Ein junges Lämmchen, weiß wie Schnee,
ging einst mit auf die Weide
und sprang mutwillig in dem Klee
mit ausgelass'ner Freude.
2. Es hüpfte über Stock und Stein
mit unvorsicht'gem Springen.
„Kind,“ rief die Mutter, „Kind, halt ein!
Es wird dir nicht gelingen!“
. Allein das Lämmchen hüpfte fort,
bergauf, bergab in Freuden.
Doch endlich mußt's am Hügel dort
für seinen Leichtsinn leiden.
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