Poe tische Erzählungen etc.
297
8. Graf Rudolf und der Gerber.
K. R. Hagenbach.
Kommt einst Herr Rudolf wohlgemut
Vor Basel hingeritten;
Am Steinenthor beim Gerber thut
Er um den Imbiss bitten.
„Seid mir gegrüfst, mein werter Gast,
Wollt ihr euch so bequemen;
Weib, bringe hurtig, was du hast —
Bitt' euch, vorlieb zu nehmen.“
Gerüstet wird der blanke Tisch
Mit stillem Wohlbehagen
Und Suppe, Braten, Tort’ und Fisch’
Und Wildbret aufgetragen.
Des Herbstes reiche Gabe ruht
ln Gold- und Silberschalen;
Es sprüht der edeln Weine Glut
Aus blinkenden Pokalen.
In Purpurseiden und Damast
Stolziert des Hauses Ehre;
Es trügt der Glanz, als ob der Gast
Bei seinesgleichen wäre.
Bei ernstem Wort und feinem Scherz
Enteilt die Mittagsstunde,
Und offen wird des Grafen Herz
An heisrer Tafelrunde.
Drum launig er zum Wirt begann:
„Was mögt ihr noch erwerben?
Könnt ihr dereinst als reicher Mann
Auf weichem Polster sterben?“
„Auf fauler Haut? Das bleibe fern!
Ich fahre fort zu gerben
Und will, gefällt es Gott, dem Herrn,
Als Gerber selig sterben.
Nie haben mich zur Stund’ gereut
Der rauhen Arbeit Mühen;
Nur wo man keine Dornen scheut,
Da können Rosen blühen.“
Das Wort gefiel dem Grafen sehr;
Er rühmt es aller Dinge,
Wie er zu Basel in die Lehr’
Beim frommen Gerber ginge.