Full text: Lesebuch für das erste Kindesalter ([Teil 2: Unterstufe], [Schülerband])

108 100. Ich mag nicht lügen. 
der Geselle, und geschäftig regen sich die Hände beim Hobeln, Sägen, 
Hämmern, Feilen, Polieren. Ein Sarg istbestellt, da müssen rasch 
sechs Bretter und vier Brettchen geschnitten, gehobelt, zusammen— 
genagelt, geleimt und angestrichen werden. Oder eine Wiege für 
einen Säugling, eine Bettstelle, ein Kleiderschrank, ein Küchenschrank, 
ein runder Tisch, ein halb Dutzend Stühle aus Nußbaumholz, ein 
Schulkästchen für einen Schüler kommen zur Bestellung. Da muß 
die Holzsorte zu jedem dieser Dinge im Holzschuppen ausgesucht, 
mit dem Maßstabe oder Zirkel gemessen, mit Kreide oder Bleifeder 
gezeichnet werden. Da sind die Werkzeuge zu schärfen und zurecht— 
zulegen, das Feuer in dem Ofen mit Hobelspänen und Klötzchen 
reichlich zu versehen, damit der Leim in dem aufgestellten Tiegel 
bald flüssig wird. Meister, Geselle und Lehrjunge haben die Hände 
voll zu thun, damit der Schreiner seinen Kunden die bestellte 
Ware zu rechter Zeit abliefern kann. 
170. Ich mag nicht lügen. 
Einem Knaben hatte jemand ein kleines Beil zum Spielen ge— 
geben. Daran hatte er seine große Freude und hieb damit, wie es 
eben traf; und es traf manchmal hin, wo es nicht gut war. Wie der 
Kleine mit dem Beile auf der Schulter auch in den Garten kam, 
dachte er: „Nun will ich ein tüchtiger Holzhauer sein,“ und fing an 
und hieb seines Vaters schönstes Nußbäumchen um. 
Den andern Tag kam der Vater in den Garten, und als er das 
schöne Bäumchen welk am Boden liegen sah, wurde er betrübt und zornig. 
„Wer mir das gethan hat,“ rief er, „der soll mir's schwer büßen!“ 
Aber wer es gethan hatte, das wußte kein Mensch außer einem; der 
stand gerade hinter der Hecke, hörte, wie der Vater so zürnte, und wurde 
feuerrot. Es ist schlimm! dachte er; aber wenn ich's verschwiege, so 
wär's eine Lüge, und lügen mag ich nicht. So trat er denn schnell 
in den Garten zum Vater und sagte: „Vater! ich habe das Bäumchen 
umgehallen; es war dumm von mir.“ — Da sah der Vater den 
Knaben an, und er machte wohl noch ein ernsthaftes Gesicht; — aber er 
zürnte nicht mehr. 
Der kleine Knabe lebte in Amerika und wurde nachher ein braver 
Mensch und dazu ein gewaltiger General, hat auch sein Leben lang 
die Lüge gehaßt. Er hieß Georg Washington (sprich: Woschingten).
	        
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