110 173. Der unzufriedene Esel. 174. Seltsamer Spazierritt.
173. Der unzufriedene Esel.
In einem harten Winter jammerte ein Esel gar lläglich.
„Ach,“ sprach er, „wäre es doch erst Frühling! Das Nachtlager
ist so kalt und das Strohfutter so dürr. Ich sehne mich recht
nach etwas frischem Grase.“
Der Frühling kam und mit ihm frisches, duftiges Gras; aber
nun gab es auch Arbeit vollauf. Da seufzte der Esel wieder und
sprach: „Ach, wäre es doch erst Sommer!“
Auch dieser erschien, aber mit ihm auch die Zeit der Ernte.
Nun mußte der Esel Korn und Feldfrüchte tragen, bald in die
Mühle, bald nach Hause. Und das ging so fort vom frühen
Morgen bis zum späten Abend. „Der Sommer gefällt mir nicht,“
klagte der Esel, „ich wollte, es wäre schön Herbst!“
Der Herbst brach an. Äpfel, Trauben und andere Früchte
wurden reif, und Holz und Wintervorrat mußten eingesammelt
werden. Nun jammerte Langohr erst recht, daß doch der Winter
kommen möchte, damit es endlich besser würde.
174. Seltsamer Spazierritt.
Ein Mann ritt auf seinem Esel nach Hause und ließ seinen
Sohn zu Fuß nebenher laufen. Da kam ein Wanderer und sagte:
„Daͤs it nicht recht, Vater, daß Ihr reitet und laßt Euern Sohn
laufen; Ihr habt stärkere Glieder.“ Da stieg der Vater vom Esel
herab und ließ den Sohn reiten. Bald kam wieder ein Wanders—
mann und sagte: „Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest
und lässest deinen Vater zu Fuße gehen. Du hast jüngere Beine.“
Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Nun kam ein dritter
Wandersmann und sagte: „Was ist das für ein Unverstand,
zwei Menschen auf einem schwachen Tiere! Sollte man nicht
einen Stock nehmen und Euch beide hinabjagen?“ Da stiegen
beide ab und gingen zu Fuße, rechts der Vater, links der Sohn
und in der Mitte der Esel. Jetzt kam ein vierter Wandersmann
und sagte: „Ihr seid drei wunderliche Gesellen. Ist's nicht
genug, wenn zwei zu Fuße gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer
hon euch reitet?“ Da band der Vater dem Esel die Vorderbeine
zusammen, und der Sohn band ihm die Hinterbeine zusammen;
dann zogen sie einen starken Baumpfahl hindurch, der an der Straße
stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.
So weit kann's kommen, wenn man's allen Leuten recht machen will.