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214. Die Ameise. 
Ich saß in meinem Garten, als dicht vor mir eine Raupe von einem 
Baume herabfiel. Sie ringelte sich zusammen und blieb eine Weile ruhig 
liegen. Gerade aber, als sie sich wieder aufrollte, um fortzukriechen, kam 
eine Ameise und biß sie in die Seite. Die Raupe ringelte sich aus 
Schmerz von neuem zusammen, während ihre Angreiferin davonlief. In 
einiger Entfernung begegnete diese einer anderen Ameise. Beide Tierchen 
schienen sich etwas milzuüteilen, denn sie bewegten sich unruhig hin und 
her und gingen dann auf die Raupe los. Beide Ameisen bissen sie so— 
gleich von neuem und verhinderten sie dadurch, ihren Weg fortzusetzen. 
Rasch liefen sie dann nach verschiedenen Richtungen auseinaänder, kamen 
jedoch schon nach wenigen Augenblicken, jede von einer zweiten Ameise 
begleitet, zurück und fielen vereint über ihre Beute her. Dann liefen drei 
abermals fort, um neue Verstärkungen herbeizuholen, während die vierte 
bei der Raupe blieb, um diese nicht entschlüpfen zu lassen. Jetzt kam die 
doppelte Zahl Ameisen, bissen die Raupe und eilten ebenso schnell, wie sie 
gekommen waren, wieder davon, um auch noch andere zuhilfe zu rufen. 
Dies Verfahren setzten sie so lange fort, bis mindestens 50 Ameisen zu— 
sammen waren, welche die unglückliche Raupe, die sich aus Schmerz hin— 
und herkrümmte, endlich tot gebissen hatten, worauf sie dieselbe in kleine 
Stücke zerrissen und diese fork in ihren Haufen trugen. 
Ein anderes Mal bemerkte ein Bauer an einem seiner Obstbäume 
viele Ameisen. Da er glaubte, daß sie dem Baume schadeten, so bestrich 
er den Baum einige Fuß hoch über der Erde mit Teer. Er wollte die 
Tiere dadurch verhindern, an dem Baume auf- und abzulaufen, und 
meinte, sie würden in dem Teere hängen bleiben. 
Aber die Ameisen waren klüger, als er dachte. Als sie auf ihrem 
Wege von oben herab und von ünten herauf an den Teerstreifen kamen, 
machten sie Halt, um zu überlegen, was zu thun sei. Dann kehrten sie 
um, kamen aber bald darauf mit kleinen Holzsplikterchen oder Erdklümpchen 
im Munde zurück. Diese legten sie auf den Teer, klebten sie fest, eilten 
fort, trugen wieder neue herbei und wiederholten dies so lange, bis sie 
eine förmliche Brücke über den Teerstreifen gebaut hatten, über welche sie 
nun ungehindert hinauf und hinab laufen konnten. 
Nach Joh. v. Specht. 
215. Edelsinn Friedrich Wilhelms III. 
As König Friedrich Wilhelm III. noch ein Knabe von zehn Jahren 
war, brachte eines Tages im Monat Januar, bei strenger Kälte, ein 
Gärtnerbursche ein Körbchen mit schönen, reifen, im Treibhause gezogenen 
Kirschen; beim Anblick derselben freute sich der junge Prinz und wünschte 
die in dieser Jahreszeit seltene Frucht zu genießen. Als ihm aber be— 
merklich gemacht wurde, daß sie fünf Thaͤler kosten sollten, fragte er ver⸗ 
wundert: „Wie, für eine Hand voll Kirschen fünf Thaler?“ und drehte 
sich dann fest um mit den Worten; „Ich mag und will sie nicht!“ Bald 
darauf ließ sich ein Bürger und Schuhmachermeister aus Potsdam melden; 
dem Kronprinzen wurde mitgeteilt, der arzne Mann sei lange am Nerven 
fieber elend und krank gewesen und a herabgekommen in seinem 
Berufe, und so bedürfe er, um ihn wieder beginnen zu können, zum
	        
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