Full text: [Teil 1 = Unterstufe, [Schülerband]] (Teil 1 = Unterstufe, [Schülerband])

wußten nicht, was sie tun sollten; und keiner getraute sich 
heim. Als sie immer nicht zurückkamen, ward der Vater 
ungeduldig und sprach: „Gewiß haben sie's wieder über ein 
Spiel vergessen, die gottlosen Jungen!“ Es ward ihm angst, 
das Mädchen müßte ungetauft verscheiden, und im AÄrger 
rief er: „Ich wollte, daß die Jungen alle zu Raben 
würden!“ Kaum war das Wort ausgeredet, so hörte er 
ein Geschwirr über seinem Haupte in der Luft, blickte in 
die Höhe und sah sieben kohlschwarze Raben auf- und davon⸗ 
fliegen. 
2. Wie das Schwesterchen sich aufmacht, die 
Raben zu suchen. 
Die Eltern konnten die Verwünschung nicht mehr zurück— 
nehmen; und so traurig sie über den Verlust ihrer sieben 
Söhne waren, trösteten sie sich doch einigermaßen durch ihr 
liebes Töchterchen, das bald zu Kräften kam und mit jedem 
Tage schöner ward. Es wußte lange Zeit nicht einmal, daß 
es Geschwister gehabt hatte; denn die Eltern hüteten sich, 
ihrer zu erwähnen, bis es eines Tages von ungefähr die 
Leute von sich sprechen hörte, das Mädchen wäre wohl 
schön aber doch eigentlich schuld an dem Unglück seiner 
sieben Brüder. Da ward es ganz betrübt, ging zu Vater 
und Mutter und fragte, ob es denn Brüder gehabt hätte, 
und wo sie hingeraten wären. Nun durften die Eltern das 
Geheimnis nicht länger verschweigen, sagten jedoch, es sei 
so des Himmels Verhängnis und seine Geburt nur der un— 
schuldige Anlaß gewesen. Allein das Mädchen machte sich 
täglich ein Gewissen daraus und glaubte, es müßte seine 
Geschwister wieder erlösen. Es hatte nicht Ruhe und Rast, 
bis es sich heimlich aufmachte und in die weite Welt ging, 
seine Brüder irgendwo aufzuspüren und zu befreien, es 
möchte kosten, was es wollte. Es nahm nichts mit sich 
als ein Ringlein von seinen Eltern zum Andenken, einen 
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