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155. Bauer und Bienen.
„Ihr Bienen, nichts für ungut genommen, ich muß bei euch zu
Gaste kommen, hab keinen Zucker in meinem Haus, darum bitt ich ein
wenig Honig mir aus.“ — Die Bienen sprachen in ihrem Zelt: „Der
Menfsch ist einmal der Herr der Welt; auch hat er uns manches zu
Gute gehalten, ließ frei in seinem Feld uns schalten; die duftende Linde
gab er uns preis und Ros und Aurikel im weiten Kreis; auch hat er
gezimmert uns Haus und Herd und weder Kaufgeld noch Miete begehrt.
Drum nehm' er sich heute, was ihm gefällt, unsere Küche ist noch gut
bestellt. — Da schnitt der Bauer den Honig aus; schon harrten die
lüsternen Kinder im Haus. O, wie das Broötchen so herrlich schmeckt,
mit schönem goldenen Honig bedeckt! Wiener Cesebuch
156. Die Fliege und die Biene.
Zur Biene sprach die Fliege: Nach eines Armen Brot,
Geliebte Biene, sprich, Nach eines Reichen Schüssel —
Was hast du, daß man dich Mir droht sogleich der Tod.
Auf keinem deiner Züge Ich glaube, koͤnnt' ich stechen
Verfolgt und jagt wie mich? Und mich so scharf wie du
Vor jeder Hand muß ich An meinen Feinden rächen,
Mein kleines Leben hüten. Man ließe mich in Ruh.“
Du schwingst dich frei empor, „Du irrst,“ versetzt die Biene;
Hol'st ungestraft aus Blüten „Was noch weit sichrer mich
Den Honigseim hervor. In Schutz nimmt, ist, daß ich
Mir — sireck ich meinen Rüssel Durch Fleiß den Menschen diene.“
Tiedge.
157. Die Bremse.
Das Feunster ist zu, der Zeisig singt:
„Summ!“
Die Bremse durch die Stube sich schwingt:
„WVumm!“
Bald brummt sie laut, bald summt sie still,
Hat alles vollauf, was sie nur will,
Braten und Wein und Zucker drein,
Da kann eine Bremse schon lustig sein.
Die Bremse schaut zum Fenster hinaus:
„Summ!“
Da draußen sieht es anders aus
„Wumm!“
Sie brummt für sich: „Jetzt seh ichs klar,
Wie garstig es hier drinnen war;
Ich will hinaus, ich muß hinaus,
Ich halt's, ich halt's in der Stube nicht aus!“