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Sur Geschichte öer deutschen Dichtung
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W. Der Meistergesang. von eduard Otto.
Das deutsche Handwerk in seiner kulturgeschichtl. Entwicklung. 3. Auflage.
Leipzig 1908. 8. 142.
Hills mit dem Verfall des Rittertums und der höfischen Sitte auch die
i\ ritterliche Sangeslust erlosch, hatte die aus der Burg verstoßene Muse
in dem deutschen Bürgerhause Unterkunft gefunden. Vornehmlich waren
es die Handwerker, welche die Kunst des Sanges auf ihre Weise hegten
und pflegten. Die Art der Pflege entsprach allerdings mehr den Zunft-
gewohnheiten des ehrbaren Handwerks als dem Wesen der freien Kunst.
In den großen und reichen Städten Oberdeutschlands, namentlich in
Mainz, Straßburg, Ulm, Nürnberg und Augsburg, bildeten die „Liebhaber
des deutschen Meistersanges", wie sich die Meistersinger bescheidentlich
nannten, sogenannte Singschulen mit zünftigen Einrichtungen und Ge¬
bräuchen. Schon die Gliederung dieser Gesellschaften entsprach ungefähr
der Einteilung der Znnftmitglieder in Lehrlinge, Gesellen und Meister.
Wer in die Geheimnisse der „Tabulatur" erst eingeweiht werden mußte,
d. h. wer mit den unter den Meistersingern geltenden, hauptsächlich aus
Silbenzählung, Verskunst, Reim und Reimstellung, Melodie, kurz auf die
Form bezüglichen Gesetzen noch nicht vertraut war, hieß ein „Schüler";
wer sich diese Gesetze gedächtnismäßig angeeignet hatte, ein „Schulfreund"/
wer mehrere bekannte „Töne", d. h. Strophenformen singen konnte, war
ein „Singer"; wer auf anderer Töne Lieder dichtete, ein „Dichter". Meister
war aber nur, wer einen eigenen Ton erfunden hatte. Diese Strophen-
sormen, mit denen die Melodie eng zusammenhing, führten oft die merk¬
würdigsten Namen: Michel Behaims Trommetenweis, Georg Hägers kurze
Afsenweis, Hans Findeisens gestreift Sasranblümleinweis, die Kupidinis-