25. Ernst Moritz Arndt.
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Schon vorher war er in kräftigen, von heiligem Zorn und heiliger Begeisterung getragenen
Liedern aufgetreten und hatte darin seinem Volke seine Schmach vor Augen gehalten, er hatte
es aus seiner Stumpfheit aufgerüttelt und in ihm die Glut der Vaterlandsliebe entfacht; dabei
traf er, wie keiner wieder, den rechten Volkston, zu seinen Liedern fanden sich sofort Melodiken,
und so übten sie als gesungene Lieder einen mächtigen Einfluß aus. (iiieber: „Aus zur Rache"!
„Die alten und die neuen Deutschen", „Der Gott, der Eisen wachsen ließ" ss. Ü, 2], „Das Lied
vom Schill", „das Lied vom Gneisenau").
Als der Sturm bereits losgebrochen war, als Napoleon bei Leipzig erlag, blieb er uner-
niüdlich mit Wort und Schrift thätig, es erschienen seine „Lieder für Deutsche", „Kriegslieder der
Deutschen". In allem, was er damals und später schrieb, war der Grundion: „Vaterland"! ja,
er hat in Wahrheit von sich sagen dürfen: „Des Alten Schnabel ist so gestellt, daß er sich, wenn
er den Mund aufthut, unwillkürlich alles liebe deutsche Volk als Zuhörer denken muß."
Wenn in der Einleitung gesagt worden ist, daß die Freiheilssänger nicht bloß Rückkehr zu
Gott forderten, sondern selbst gottessürchtige, gläubige und gottergebene Männer waren, so gilt
dies ganz besonders von Arndt. Aus diesem innigen Glauben gingen auch seine vortrefflichen
geistlichen Lieder hervor (f. A, 1. 2. 3. 4. 5. D, 5), seine vaterländische und fromme Gesinnung
giebt sich auch in seinen Denksprüchen kund (0, 1—12).
Nach den Freiheitskriegen erhielt er an der neugestifteten Universität zu Bonn eine Professur,
die er aber wegen gehässiger Verdächtigungen niederlegen mußte. Friedrich Wilhelm IV. setzte
ihn 1840 mit allen Ehren in sein Amt wieder ein; bis an sein hohes gottgesegnetes Alter hörte
er nicht auf, für des Vaterlandes Ehre und Wohl und für des deutschen Voltes Einigkeit zu
wirken. Im Jahre 1859 veranstaltete er eine letzte Sammlung seiner Gedichte, zu welcher er als
Einleitung seinen Freunden ein letztes Lebewohl schrieb ss. I), 4) und der er, der Neunzigjährige,
sein mit kräftiger Hand geschriebenes „Grablied" als Facsimile beifügte, das er vor vierzig
Jahren gedichtet hatte (s. I), 5). Er starb am 29. Januar 1800 zu Bonn.
A. Ans dem Leben
1. Wer ist
1. Wer ist ein Mann? Wer beten kann
und Gott dem Herrn vertraut;
wann alles bricht, er zaget nicht,
dem Frommen nimmer graut.
2. Wer ist ein Mann? Wer glauben kann
inbrünstig wahr und frei;
denn diese Wehr bricht nimmermehr,
sie bricht kein Mensch entzwei.
3. Wer ist ein Mann? Wer lieben kann
von Herzen fromm und warm;
die heil'ge Glut giebt hohen Mut
und stärkt mit Stahl den Arm.
4. Dies ist der Mann, der streiten kann
für Weib und liebes Kind;
für das Leben,
ein Mann?
der kalten Brust fehlt Kraft und Lust,
und ihre That wird Wind.
5. Dies ist der Mann, der sterben kann
für Freiheit, Licht und Recht;
dem frommen Mut deucht alles gut,
es geht ihm nimmer schlecht.
6. Ties ist der Mann, der sterben kann
für Gott und Vaterland,
er läßt nicht ab bis an das Grab
mit Herz und Mund und Hand.
7. So, deutscher Mann, so, freier Mann,
mit Gott dem Herrn zum Krieg!
Denn Gott allein kann Helfer fein,
von Gott kommt Glück und Sieg.
2. Das Gespräch.
1. Ich sprach zum Morgenrot: „Was
glänzest du
mit deinem Rosenlicht?"
Ich sprach zur Jungfrau schön: „Was
kränzest du
dein junges Angesicht?
Morgenrot, du einst erbleichen mußt,
Jungfrau schön, du auch einst sterben mußt;
drum schmücket euch nicht!"
2. „Ich schmücke mich," so sprach das
Morgenrot,
„mit hellem Rosenlicht;
ob mir dereinst ein andres Schicksal droht,
das weiß und frag' ich nicht.
Der dem Mond, den Sternen gab den
Schein,
auch gefärbt hat rot die Wangen mein.
Drum traure ich nicht."
3. „Ich kränze mich," so sprach die Jungfrau schön,
„weil noch mein Frühling blüht.
Sollt' ich darum in stetem Trauern gehn,
daß einst die Jugend flieht?
Der beschirmt und hält der Vöglein Rest,
der die Blumen blühn und welken läßt,
dem traut mein Gemüt."