Full text: [Teil 4 = (4. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 4 = (4. Schuljahr), [Schülerband])

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Stadt ein Kanarienvogel gezeigt, welcher alle Hauptfarben zu unterscheiden 
wußte, aus einzelnen Buchstaben Worte, die man ihm vorsprach, zusammen⸗ 
trug, und mit Genauigkeit aus einer Menge Zahlen diejenigen heraussuchte, 
welche die Zeit nach Stunden und Minuten anzeigten, wie sie eine dazugelegte 
Uhr nachwies. Man weiß nicht, was man dabei mehr bewundern soll, die 
Fähigkeit der kleinen Vögelchen, oder die Geduld und Geschicklichkeit der 
Menschen, welche jene abrichten! 
Freilich sind nicht alle Vogelgattungen und unter diesen wieder nicht alle 
einzelnen mit so vorzüglichen Gaben ausgestattet. Ein Sperling, so klug er 
in der Freiheit scheint, läßt sich fast zu keinen Künsten abrichten. Der Gimpel 
dagegen, den man als Beispiel der Einfalt betrachtet, lernt ohne Schwierigkeit 
Melodien nachpfeifen. Die Gaben sind also unter den Tieren wie unter den 
Menschen verschieden. We. Curtman. 
149. Der Frankenstein. 
Sine der schönsten Schloßruinen des Odenwaldes ist der Franken⸗— 
stein, gerade an der nördlichen Ecke der Bergstraße, nicht weit vom 
Felsberg und mit einer Aussicht über die Rheinebene, welche der von 
dem Melibokus nicht viel nachsteht. Die Ruine ist so weit hergestellt, 
daß man dieselbe leicht besteigen kann, und in der daran gebauten 
Försterswohnung findet der Wanderer Erfrischung. Das Merkwür— 
digste aber bleiben doch die Erinnerungen aus der Vergangenheit 
dieser Burg. 
In dem benachbarten Dorfe befindet sich der Grabstein des Ritters 
Georg von Frankenstein, worauf derselbe in voller Rüstung und auf 
einem Drachen stehend abgebildet ist. Die Sage erzählt, dieser Drache 
habe in der Nähe gehaust und Menschen und Vieh geraubt. Alle Ver— 
suche, das Land von dieser Plage zu befreien, seien vergeblich gewesen 
und hätten nur neue Menschenleben gekostet. Da habe sich der Ritter 
von Frankenstein des Volkes erbarmt und im Vertrauen auf Gott den 
Kampf unternommen. Wirklich sei es ihm gelungen, das Ungeheuer 
tödlich zu verwunden und es mit seinem Fuße niederzutreten. Der 
greuliche Wurm habe sich aber nochmals gekrümmt und mit seinem 
giftigen Stachel den Ritter durch die Fugen des Harnischs hindurch in 
das Knie gestochen. Das Land war befreit, aber der heldenmütige Be— 
freier erlitt einen schmerzvollen Tod. So schön diese Sage klingt, 
so ist sie doch nicht wahrscheinlich. Dieselbe sinnbildliche Darstellung 
des ritterlichen Standes und Wesens einer Person findet sich näm— 
lich an vielen Orten. W. Curkman.
	        
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