Emanuel Geibel.
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sOft sah es nächtlicher Gelage Glanz,
Wo lock'ge Knaben, Efeu um die Stirnen,
Mit Bechern flogen, silberfüßige Dirnen
Den Thyrsus schwangen in berauschtem Tanz,
Und Jauchzen scholl, Gelächter, Saitenspiel,
tv Bis auf die Gärten rings der Frühtau fiel.
Doch heut, wie stumm das Haus! Nur hier und dort
Ein Fenster hell. — Und wo die Säulen düstern,
Wogt am Portal der Sklaven Schwarm mit Flüstern,
Es kommen Sänften, Boten sprengen fort;
15 Und jedesmal dann zuckt umher im Kreise
Ein Fragen, das nur scheu um Antwort wirbt:
„Was sagt der Arzt? Wie steht es?" — Leise, leise!
Zu Ende geht's; der greise Tiger stirbt.
Bei matter Ampel Zwielicht droben lag
20 Der kranke Cäsar auf den Purpurkissen.
Sein fahl Gesicht, von Schwären wild zerrissen,
Erschien noch grauser heut, als sonst es pflag.
Hohl glomm das Auge. Durch die Schläfe wallte
Des Fiebers Glut, daß jede Ader schlug;
25 Niemand war bei ihm als der Arzt, der alte,
Und Marco, der des Hauses Schlüssel trug.
Und jetzt mit halbersticktem Schreckensruf
Aus seinen Decken fuhr enlpor der Sieche,
Hochauf sich bäumend: „Schaff mir Kühlung, Grieche!
30 Eis! Eis! Im Busen trag' ich den Vesuv.
O wie das brennt! Doch grimmer brennt das Denken
Im Haupt mir; ich verfluch' es tausendmal
Und kann's doch lassen nicht zu meiner Qual;
O gib mir Lethe, Lethe, mich zu tränken!
35 Umsonst! Dort wälzt sich's wieder schon heran
Wie Rauchgewölk, und ballt sich zu Gestalten —
Sieh, von den Wunden heben sich die Falten
Und starren mich gebrochnen Auges an,
Germanicus und Drusus und Sejan —
40 Wer rief euch her? Kann euch das Grab nicht halten?
Was saugt ihr mit dem Leichenblick, dem stieren,
An meinem Blut und dörrt mir das Gebein?
's ist wahr, ich tötet' euch; doch mußt' es sein.
Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren!
45 Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein!"