fullscreen: Vaterländische Geschichtsbilder

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des Herrn erscheinen, Christum bekennen und denselben walten 
lassen." Seine Reise glich einem Triumphzuge, so sehr strömte das Volk 
herzu, ihn zu sehen. Er nahm seinen Weg über Leipzig, Naumburg, Weimar. 
Erfurt, Gotha und Eisenach. Von Eisenach ging er nach Möhra, seiner Eltern 
Heimat. Hier predigte er unter des Dorfes Linde, denn keine Kirche konnte 
die herbeigeströmte Volksmenge fassen. Als er sich Worms näherte,_ warnten 
ihn treue Freunde, nicht in die Stadt zu kommen, da seiner große Gefahr 
drohe. Er aber sprach: „Nach Worms bin ich berufen, nach Worms 
muß ich ziehen. Und wenn soviel Teufel in Worms wären wie 
Ziegel anf den Dächern, so will ich doch hinein kommen." Als er 
am 16. April in Worms einzog, regte sich die ganze Stadt, als gelte es, die 
Ankunft eines mächtigen Königs zu feiern. Einige hundert Reiter waren ihm 
entgegengeritten, und Tausende strömten herzu, ihn zu sehen. Als er vom 
Wagen stieg, sprach er: „Gott wird mit mir sein!" — Die Anhänger des 
Papstes wollten den Kaiser bereden, er möge Luther umbringen lassen, denn 
einem gebannten Ketzer brauche man sein Wort nicht zu halten. Kaiser Karl 
aber sagte: „Was man zusagt, das muß man halten. Und wenn die 
Treue aus der ganzen Welt geschwunden wäre, so soll sie doch 
beim römischen Kaiser noch zu finden sein." Am 17. April erhielt 
Luther Befehl, nachmittags 4 Uhr vor versammeltem Reichstage zu er¬ 
scheinen. Ehe er ging, suchte er Stärkung und Trost in innigem Gebete. 
Dann folgte er heiteren Blickes dem Boten, der ihn durch Gärten und Hinter¬ 
häuser führte, um ihn nur durchzubringen, denn auf der Straße war die 
Menge des Volkes zu groß. Viele Leute waren sogar aus die Dächer gestiegen, 
um den kühnen Mönch zu sehen. Als nun Luther nach dem Sitzungssaale 
des Reichstages ging, stand vor der Thür desselben der berühmte Feldhaupt¬ 
mann des Kaisers, Georg von Frundsberg. Dieser klopfte ihm auf die 
Schulter und sagte: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst jetzt einen Gang, 
dergleichen ich und mancher Oberster auch in unserer allerernstesten 
Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber auf rechter 
Meinung und deiner Sache gewiß, so fahre in Gottes Namen fort 
und sei nur getrost, Gott wird dich nicht verlassen." Als Luther nach 
zweistündigem Warten in den Saal geführt wurde, entstand eine allgemeine 
Bewegung. Bleich und abgemattet von der Krankheit und der langen Reise, 
machte Luther anfangs keinen günstigen Eindruck auf die Versammlung, und 
Kaiser Karl soll zu seinem Nachbar gesagt haben: „Der würde mich nicht 
bewegen, daß ich ein Ketzer würde." Auf einer Bank lagen Luthers sämtliche 
Schriften aufgehäuft. Als er aufgefordert wurde, sie zu widerrufen, bat er 
sich einen Tag Bedenkzeit aus. Die ganze Nacht hindurch flehte er dann in 
inbrünstigem Gebete Gott um Kraft und Beistand, und am 18. April trat er, 
die Bibel im Arme, mit aller Entschlossenheit wieder in den Saal. Mutig 
verteidigte er dann seine Lehren in zweistündiger Rede, die er in deutscher und 
lateinischer Sprache hielt. Aufgefordert, eine runde und einfache Antwort zu 
geben, ob er widerrufen wolle oder nicht, sagte er: „Wohl, weil denn Ew. 
kaiserliche Majestät eine schlichte, einfältige Antwort begehren, so 
will ich eine geben, die weder Hörner noch Zähne haben soll, näm¬ 
lich so: es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift 
oder mit klaren Gründen überwunden werde, so kann und will ich 
Kornrumpf, Geschichtsbilder für Preußen. 7
	        
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