102 VIlII. Im Walde.
auch gut schmecken, blickte überall herum lief aber oft zu dem Loche,
durch welches sie gekommen waren und versuchte, ob sein Leib noch schmal
genug wäte, durchzuschlüpfen. Sprach der Wolf: Lieber Fuchs, sag
mir, warum rennst du so hin und her und springst hinaus und herein?
„Ich muß doch sehen, ob niemand kommt,“ antwortete der Listige; „friß
ur nicht zu viel!“ Da sagte der Wolf: Ich gehe nicht eher fort, als
bis das Faß leer ist.“ Indem kam der Bauer, der den Lärm von des
Fuchses Sprüngen gehört hatte, in den Keller. Der Fuchs, wie er ihn
sah, war mit einem Satze zum Loche draußen; der Wolf wollte nach,
aber er hatte sich so dick gefressen, daß er nicht mehr durch konnte,
sondern stecken blieb. Da kam der Bauer mit einem Knüppel und
schlug ihn tot. Der Fuchs aber sprang in den Wald und war froh,
daß er den alten Nimmersatt los war. Jakob und Wilhelm Grimm.
208. Der we und die Maus.
Der Löwe schlief in seiner Höhle; um ihn her spielte eine lustige
Mäuseschar. Eine derselben war eben auf einen hervorstehenden Felsen
gekrochen, fiel herab und erweckte den Löwen, der sie mit seiner ge—
waltigen Tatze festhielt. „Ach,“ bat sie, „sei doch großmütig gegen
mich armes, unbedeutendes Geschöpf! Ich habe dich nicht beleidigen
wollen, ich habe nur einen Fehltritt gethän und bin von dem Felsen
herabgefallen. Was kann dir mein Tod nützen? Schenke mir das
Leben, und ich will dir zeitlebens dankbar sein!“
„Geh hin! sag—
te großmütig der
Löwe und ließ das
Mäuschen sprin⸗
gen. Bei sich aber
lachte er und
sprach: „Dankbar
sein? Nun, das
möchte ich doch se⸗
hen, wie ein Mäus⸗
chen sich einem
Löwen dankbar
bezeigen könnte!“
Kurze Zeit dar⸗
auf lief das näm⸗
liche Mäuschen
durch den Wald
und suchte sich
Nusse. Da hoͤrte es das klägliche Gebrüll eines Löwen. „Der ist in
Gesahr!“ sprach es bei sich und ging der Stelle zu, wo das Gebrüll
herübertönte.