Full text: [Teil 3 = 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 3 = 3. Schuljahr, [Schülerband])

G. Aus der Geschichte unsers Herrscherhauses. 
Zum 215. Januar. 
194. Menschenfreundlichkeit und Leutseligkeit unsers Kaisers. 
1. Ein schöner Wintertag hatte die Eisbahn im Berliner Tiergarten 
dicht mit Besuchern gefüllt. Heiter wogte es auf der spiegelglatten Fläche 
hin und her. Ein großer Kreis von Zuschauern, die sich an dem fröh— 
lichen Treiben ergötzten, hatte sich um die Schlittschuhläufer gesammelt. 
Auch ein alter Herr hatte längere Zeit zugesehen und trat nun, auf 
seinen Stock gestützt, den Heimweg nach der Stadt an. Trotz aller 
Vorsicht glitt er aber auf einer glatten Stelle des Weges aus Der 
Stock entfiel seinen kraftlosen Händen, und der Greis sank zu Boden. 
Augenscheinlich hatte er sich verletzt; denn er vermochte sich nicht sofort 
wieder aufzurichten. Da sprang schnell ein junger Offizier hinzu, der 
gerade des Weges kam. Er hob den Greis vom Boden auf und er— 
kundigte sich teilnehmend nach seinem Befinden. Der Gefallene entgegnete, 
daß er große Schmerzen verspüre und wohl kaum allein werde weiter— 
gehen können. Freundlich bot ihm der junge Offizier seine Hilfe an und 
begleitete den alten Herrn bis zur nächsten Haltestelle der Pferdebahn. 
Hier wartete er so lange, bis ein Wagen den Greis aufnahm. Thränenden 
Auges bedankte sich der alte Mann für die liebevolle Teilnahme, die der 
junge Offizier einem gänzlich Unbekannten erwiesen hatte. Freundlich 
grüßend empfahl der Offizier den Verletzten noch der Fürsorge des 
Schaffners. Erst von diesem erfuhr der alte Herr, daß ihn Prinz Wilhelm, 
unser jetziger Kaiser, so liebevoll geleitet hatte. 
2. Eines Tages kehrte der Kronprinz Wilhelm sunser jetziger Kaiser) 
von den Übungen auf dem Exerzierplatze nach Berlin zurück Unter den 
vielen Menschen, die ihn grüßten, befand sich auch ein Bierfahrer, der mit 
seinem Handwagen anhielt und dem hohen Herrn ebenfalls zujubelte. 
Als der Kronprinz diesen Mann bemerkte, ritt er an denselben heran, 
reichte ihm die Hand und sagte in freundlicher Weise: „Guten Tag, 
Tappert, wie geht's denn, alter Freund?“ Dieser antwortete: „Es geht 
ganz gut, Kaiserliche Hoheit!“ Darauf richtete der Kronprinz noch einige 
Fragen an ihn und sprach: „Besuchen Sie mich doch einmal, lieber 
Tappert!“ Dann aber ritt er unter dem Jubel des Volkes von dannen. 
Tappert aber erzählte nun der Menge, daß er Soldat gewesen sei 
und während dieser Zeit bei dem Kronprinzen Dienste geleistet habe, und 
dabei konnte er die Leutseligkeit des hohen Herrn nicht genug rühmen. 
Nach J. G. Oblt. 
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