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Da beschloß der Ungarkönig, seine Tochter Elisabeth ins Thüringer⸗
land zu geben. Und er sagte zur Königin: „Soll sie Landgräfin werden
und einmal ihrem Volke helfen, so muß sie Land und Volk und
Sprache kennen lernen von Jugend auf. Darum müssen wir sie fort⸗
geben, so weh es uns auch tun mag. Wir wollen ein Stück von
unserm Glück opfern, um des Glückes unseres Kindes willen, wie
Eltern tun.“
Da gedachte die Mutter daran, wie sie ihre Tochter recht reich
und königlich könne hinsenden in das Thüringer Land. Da ward den
Boten reiche Gabe dargereicht: Gold und Silber in Ringen und Ketten,
viel köstliche Gewänder und schöne Waffen.
Der jungen Prinzessin aber, der Elisabeth, gab sie auch viele
Gewänder mit von schwerer Seide und goldgesticktem Tuche, köstliche
Decken aus Purpur und viel Schmuck an Ringen und Spangen mit
Edelsteinen reich besetzt und wertvolle Heftel. Das schönste aber war
eine silberne Badewanne und eine goldene Krone.
Und als Geschenk für den Landgrafen und die Landgräfin von
Thüringen ward auch ein reicher Schatz mit gegeben: Goldene
und silberne Becher und Spiegel und Lampen, dazu noch vieles Gold
in Säcken.
Mit vier Wagen waren die Boten hergefahren, mit dreizehn
fuhren sie wieder aus Ungarn fort. Neun Rosse waren vor dem Wagen,
welcher die Kleider und das Geräte der kleinen Königstochter trug.
Auf diesem Wagen stand die silberne Wiege, und darin saß in
einem Bettgewand von Purpur und Seiden die kleine, liebe Elisabeth.
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Und nun kam der König und die Königin, Abschied zu nehmen.
Der Vater streichelte ihr die Wange, und die Mutter küßte sie auf den
Mund. Der Vater sagte: „Bleibe brav!“ und die Mutter: „Werde
glücklich!“
Dann schmetterten die Trompeten, und der Zug ging fort aus
dem Ungarlande nach Thüringen zu. Neben dem Wagen mit der
Wiege aber ritt Vargula und schaute immer nach Elisabeth, daß ihr
ja nichts Übles geschehe.
Sechs Wochen mußten sie fahren. Und als sie nach Thüringen
kamen, da standen die Leute am Wege und sagten: „Solch großer und
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