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redeten immer unter einander: „Ob der Landgraf sie bei sich behalten
und zur Ehe nehmen oder ob er sie wohl heimsenden wird nach
Ungarn?“ Manche konnten die Elisabeth nicht leiden, weil sie keine
Thüringerin war. Die hofften, der junge Landgraf werde sie nicht
behalten, und sie suchten, sie ihm verhaßt zu machen und sprachen
unter einander: „Sie scheint mehr eines Bauern als eines Königs
Kind.“ Und weil sie so fleißig mit in der Küche half, und obwohl
eine Königstochter, sich keiner Arbeit schämte, so sagten ihre Feindinnen
am Hofe: „Sie paßt am besten zur Dienstmagd.“ Und weil ihr Spruch
war: „Bete und arbeite!“ so betete sie morgens, mittag und abends
für sich und für Ludwig und sein Haus und für das ganze Thüringer⸗
und Hessenland, besonders aber für die armen oder kranken Leute
darinnen. Da sagten die bösen Feinde am Wartburgschlosse zu ein⸗
ander: „Ludwig mag sie nur in ein Kloster stecken, daß sie sich satt
beten kann.“ Manchem Herrn und Grafen, Ritter und Knechte dagegen
wäre es herzlich leid gewesen, wenn man sie wieder heimgesandt oder
ins Kloster geschickt hätte, besonders dem Ritter, Herrn Walter von
Vargula, welcher vom Landgrafen Hermann nach Ungarn gesandt
worden war und die kleine Elisabeth in das Land geführt hatte.
Dieser Ritter traf einmal auf dem Wege nach Reinhardsbrunn
den edlen Landgrafen und sprach heimlich also zu ihm: „Gnädiger
Herr, ich möchte Euch etwas fragen, wollt Ihr wohl auf meine Frage
Bericht geben?“ „Fragt nur getrost,“ antwortete ihm der Fürst milde
„was sich ziemet, will ich dir gern sagen!“ Da sprach Herr Walter,
der gestrenge Ritter: „Lieber Herr, wollt Ihr des Königs Tochter von
Ungarn zur Ehe behalten, oder wollt Ihr sie wieder heimsenden?“
Da zeigte der tugendsame Fürst auf den Inselsberg und sprach: „Siehst
du den großen Berg vor uns liegen? Wäre der von rotem Golde und
wäre er mein, so wollte ich dem doch lieber entsagen, als meiner Braut
Elisabeth. Man sage, was man wolle; ich sage dir, daß sie mir lieb
ist und ich auf dieser Erde nichts Lieberes habe.“
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Darauf antwortete der Ritter: „Herr, darf ich ihr diese Botschaft
bringen?“ „Ja“, sprach der Fürst, „das sollst du tun, und bringe ihr
auch dazu das Wahrzeichen, das ich dir gebe.“ Und er zog aus seinem
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