Full text: Thüringer Sagen (Abteilung 1, [Schülerband])

auch helfen.“ Und sie stellten sich an die Wartburg und baten 
um Brot. 
Die Leute aber erschraken, als sie von den Dienern hörten: 
„Landgraf Ludwig ist gar nicht daheim. Er ist mit dem Kaiser in 
ein fernes Land gezogen.“ Da merkten sie, daß er ihnen nicht helfen 
könne. Und die dem Schlosse am nächsten standen und das am 
ersten erfuhren, weinten und jammerten laut. 
Da trat die Landgräfin Elisabeth ans Fenster und sah die 
armen Leute, wie sie ihre Hände emporhoben und baten. Da dachte 
sie: „Ich muß ihnen helfen“, und sie ließ alle Vorratskammern 
aufschließen. Sie ließ mahlen und backen für die armen Leute und 
ließ unter sie verteilen Brot und Mehl und Fleisch. Und für die 
Kinder schickte sie Milch mit von den Kühen und Ziegen, die oben 
auf der Burg gehalten wurden. Jeden Tag ließ sie unter ihrer 
Aufsicht durch ihre Dienerschaft milde Gaben verteilen. So bekbstigte 
sie täglich dreihundert Arme. 
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Noch nicht genug damit. Elisabeth dachte: „Viele sind gewiß 
noch unten in Eisenach, die Not leiden. Mancher alte Mann, der sein 
Leben lang sein Brot durch seiner Hände fleißige Arbeit verdient hat, 
mag vielleicht nicht betteln. Manche Frau ist vielleicht zu schwach, so 
daß sie den steilen Burgweg nicht mehr steigen kann. Und manchem 
Kinde ist vielleicht Vater und Mutter gestorben, und es weiß noch 
nicht, daß es auch einen Landesvater und eine Landesmutter hat. 
Da will ich doch selbst hinuntergehen und sehen, wer noch Not leidet.“ 
So machte sie sich mit einigen Dienerinnen auf und ging hinunter. 
Sie betrat die Hütten der Armen und Verlassenen und öffnete die 
Körbe und teilte an die armen Leute aus. Den Armen standen die 
Tränen in den Augen, wenn sie die Elisabeth so stehen sahen mit 
ihren milden Händen, mit ihrem freundlichen Blick und mit ihrem 
warmen Herzen. 
Als aber Elisabeth wieder den Lurgweg hinauf ging und an die 
Stelle kam, wo der Brunnen fließt, da fand sie Leute, die waren auf 
dem Wege vor Hunger umgesunken und konnten nicht weiter. Da 
sagte sie: „Ich will hier ein Krankenhaus bauen, da sollen die Kranken 
und die Alten gepflegt werden, bis sie gesund sind.“ Und sie baute 
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