Full text: Deutsche Geschichte bis 1648 (Teil 1)

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Am bestimmt ist, den erreicht das Geschick auch in Friedenszeiten. 
Warum sollte das Gluck den Hunnen Sieg auf Sieg über so viele Völker 
verliehen haben, wenn es sie nicht auf die Freude dieses Kampfes hätte vor- 
bereiten wollen? Ich täusche mich nicht über den Erfolg. Ich selbst werde 
zuerst mein Geschoß in die Feinde schleudern. Wer ruhen kann, wenn Attila 
kämpft, der ist dem Tode verfallen." Durch solche Worte begeistert, stürzten 
ste alle m den Kampf. Es kam zum Handgemenge; ein schrecklicher, gewaltiger 
Kampf war es, wie von einem solchen das ganze Altertum nicht zu berichten 
weiß. Wer dieses Kampfes Anblick genoß, der hätte nichts Großartigeres 
m seinem Leben sehen können. Das Bächlein — wenn man den Erzählungen 
der alten Leute glauben darf —, das in flachen Ufern an der Ebene vorbei- 
fließt, schwoll von dem Blute der Verwundeten und Getöteten an, es wurde 
durch des Blutes Zufluß zu einem reißenden Gießbach. Die Verwundeten 
aber tranken, um ihren brennenden Durst zu löschen, das mit Blut vermischte 
Wasser. ^ 
Der König Theodorich wurde, während er ermutigend sein Heer durch- 
eilte, vom Pferde herabgeworfen. Unter den Hufen der über ihn hinweg- 
stürmenden Rofse seiner Goten hauchte der greise Herrscher sein Leben aus. 
Nun trennten sich die Westgoten von den Alanen und drangen auf die Scharen 
der Hunnen ein; fast hätten sie Attila getötet, wenn er nicht geflohen wäre 
und sich und die Seinen sogleich in das Gehege seines Lagers, das er mit 
Wagen umgeben hatte, eingeschlossen hätte. Wie hinfällig "auch diese Wehr 
sem mochte, so suchten doch dort diejenigen Fristung ihres Lebens, die vorher 
meinten, daß kein fester Wall ihnen widerstehen könnte. 
Anderen Tages beleuchtete die aufgehende Sonne das mit den Leichen 
der Erschlagenen bedeckte Gefilde. Da die Hunnen keinen neuen Angriff 
wagten, schrieben bie Römer und die Westgoten sich den Sieg zu; denn sie 
waren überzeugt, daß Attila, wenn er sich nicht für besiegt hielte, sicherlich 
nicht das Schlachtfeld geräumt hätte. Aber obgleich er überwunden war, 
tat. er doch nicht wie einer, der niedergeworfen ist, sondern unter Waffenlärm 
ließ er die Hörner blasen und drohte so mit einem Angriff wie ein Löwe, 
der verwundet am Eingänge feiner Höhle auf- und abgeht und nicht wagt, 
aufzuspringen, aber unaufhörlich mit Gebrüll seine Feinde schreckt. So ängstigte 
der eingeschlossene König feine Besiegen 
Goten und Römer waren zu einer Beratung zusammengekommen und 
Überlegten, welche Maßregeln man dem besiegten Attila gegenüber ergreifen 
sollte. Man kam überein, ihn einzuschließen und durch eine Belagerung aus¬ 
zuhungern, da er keinen Vorrat an Lebensmitteln hatte. Es schien dieser 
Entschluß der beste zu sein, weil der König feine Bogenschützen zwischen den 
Karren feiner Wagenburg aufgestellt hatte, von wo aus jene durch einen 
Pfeilregen jeden Angriff abzuweisen vermochten. Attila aber soll in dieser 
verzweifelten Lage, noch an der Schwelle des Todes voll mutiger Entschlossen¬ 
heit, sich ans Pferdesätteln einen Scheiterhaufen haben erbauen lassen, um 
sich, wenn es den Gegnern gelingen sollte, die Verschanzung zu durchbrechen, 
in die Flammen zu stürzen. So sollte niemand die Freude haben, ihm den 
tödlichen Streich zu versetzen oder den Herrn über so zahlreiche Völker in 
seine Gewalt zu bringen. 
Während man die Hunnen umschlossen hielt, durchforschten die West¬ 
goten das Schlachtfeld nach ihrem Könige, die Söhne nach ihrem Vater.
	        
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