3. Ein Brief Dr. Martin Luthers an seinen
kleinen Sohn Hans
Sãmtliehe Sehriften, hexrauss von Waleh. XXI. Theil. Halle. 1749. 8. 329
Gnade und Friede in Christo, mein herzliebes Söhnchen! Ich
sehe gerne, daß Du wol lernest und fleißig betest. Thu also, mein
Sbhnchen, und fahre fort! Wenn ich heimkomme, so will ich Dir einen
schönen Jahrmarkt mitbringen. Ich weiß einen hübschen, lustigen
Garten, da gehn viel Kinder innen, haben güldene Röcklein an uünd
lesen schöne Apfel unter den Bäumen und Birnen, Kirschen, Spilling'*)
und Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich, haben auch schͤne
kleine Pferdlein mit güldenen Zäumen und silbernen Sätteln. Da
fragte ich den Mann, dessen der Garten ist, wes die Kinder wären?
Da sprach er: „Es sind die Kinder, die gerne beten, lernen und
fromm sind.“
Da sprach ich: „Lieber Mann, ich habe auch einen Sohn, heißt
Hänschen Luther, möchte er nicht auch in den Garten kommen, daß
er auch solche schöne Apfel und Birnen essen möchte und solche feine
Pferdlein reiten und mit diesen Kindern spielen?“ Da sprach der
Mann: „Wenn er gerne betet, lernet und fromm ist, so soll er auch
in den Garten kommen, Lippus und Jost auch, und wenn sie alle
zusammen kommen, so werden sie auch Pfeifen, Pauken, Lauten und
u Saitenspiel haben, auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten
schießen.“
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten, zum Tanzen
zugerichtet, da hingen eitel güldene Pfeifen, Pauken und feine silberne
Armbrüste. Aber es war noch frühe, daß die Kinder noch nicht
gegessen hatten, darum konnte ich des Tanzens nicht erharren und
sprach zu dem Manne: „Ach, lieber Herr, ich will flugs hingehn und
das alles meinem lieben Soͤhnlein Hanschen schreiben, daß er fleißig
bete und wol lerne und fronim sei, auf daß er auch in diesen Garten
komme; aber er hat eine Muhme Lehne, die muß er mitbringen.“ Da
sprach der Mann: „Es soll ja sein, geh hin und schreib ihm also!“
Darum, liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete ja getrost, und
sage es Lippus und Justen auch, daß sie auch lernen und beten, so
werdet ihr mit einander in den Garten kommen. Hiermit bis sei)
dem allmächtigen Gott befohlen, und grüße Muhme Lene, und gib ihr
einen Buß von meinetwegen.
Dein lieber Vater
Anno 1530. Martinus Luther.
4. Mutter.
ABO· Buch tur kleine und grosze nerteinte rie O. . s. s86. ¶l. Aus. 1845)
1. Müutterlein, sprich,
warum liebst du dein Kindlein doch so inniglich?
Aber die Mutter spricht:
„Das weißt du nicht? —
M Die gemeine gelbe Pflaume.