25 —
schrie der Stein; „bring' mich an die Ecke, oder baue deine Mauer
ohne mich!“ — „Das letztere kann geschehen“, sagte der Maurer ge—
lassen; „da reise hin, Gleichheitsbruder, zum Herrn Freiheitsbruder!“
Damit warf er ihn von sich, und nun lag der Stein neben jenem,
und sein gleiches Schicksal erfüllte ihm wenigstens so seine Sehnsucht
nach Gleichheit. Die Mauer aber kam glücklich zustande. Fulda.
25. Der Pilger.
In einem schönen Schlosse, von dem schon längst kein Stein
auf dem andern geblieben ist, lebte einst ein sehr reicher Ritter. Er
verwendete sehr viel Geld darauf, sein Schloß recht prächtig auszu—
zieren, den Armen that er aber wenig Gutes.
Da kam nun einmal ein armer Pilger in das Schloß und bat
um Nachtherberge. Der Ritter wies ihn trotzig ab und sprach:
„Dieses Schloß ist kein Gasthaus.“ Der Pilger sagte: „Erlaubt
mir nur drei Fragen, so will ich wieder gehen.“ Der Ritter sprach:
„Auf diese Bedingung hin mögt Ihr immer fragen. Ich will Euch
gern antworten.“
Der Pilger fragte ihn nun: „Wer wohnte doch wohl vor Euch
in diesem Schlosse?“ „Mein Vater“, sprach der Ritter. Der Pilger
fragte weiter: „Wer wohnte vor Eurem Vater da?“ „Mein Groß—
vater“, antwortete der Ritter. „Und wer wird wohl nach Euch
darin wohnen?“ fragte der Pilger weiter. Der Ritter sagte: „So
Gott will, mein Sohn.“
„Nun“, sprach der Pilger, „wenn jeder nur seine Zeit in dem
Schlosse wohnt, und immer einer dem andern Platz macht — was
seid Ihr denn anders hier als Gäste? Dieses Schloß ist also wirklich
ein Gasthaus. Verwendet daher nicht so viel, dieses Haus so prächtig
auszuschmücken, das Euch nur kurze Zeit beherbergt. Thut lieber den
Armen Gutes, so baut Ihr Euch eine bleibende Wohnung im Himmel.“
Der Ritter nahm diese Worte zu Herzen, behielt den Pilger
über Nacht und wurde von dieser Zeit an wohlthätiger gegen die
Armen. Chr. v. Schmid.
26. Kein Mensch zu Haus.
„Geh, es ist kein Mensch zu Haus!“ Hat er Wahrheit nicht gesprochen?
rief der Geizige heraus, Womanläßtden Gastnicht ein,
als den Gast er hörte pochen. muß kein Menschim Hausesein.
Rückert.
27. Die drei Hausräte.
„Wie fangt Ihr's denn an, lieber Nachbar, daß Euer Hauswesen
so wohl bestellt ist, und man sieht doch nichts Besonderes an Euch
und an dem, was bei Euch vorgeht? Wir anderen arbeiten doch auch,
*