— 104 —
3. Blindes Kind, ein armes Rind!
Weiss nicht, wie die Blumen sind,
Kkann im goldnen Sonnenschein
nicht der Farbenpracht sich freu'n,
Kennt nicht rot, noch weiss und blau,
Feld und Wald ist tot und grau.
4. Blindes Kind, ein armes Rind!
Weils nicht, wie die Vöglein sind,
sieht kein Täubehen auf dem Dach,
nie ein Fischlein in dem Bach,
und wenn Frühlingslüfte wehn,
Kkann's kein Sommervöglein sehn.
5. Armes Rind, ein blindes Rind,
ärmer als das ärmste Kind!
Kann nicht in die Schule gehn,
selbst nicht seine Eltern sehn,
bis es sie im Himmel dann
einst auf ewig sehen kann.
Poetisches Schatzkästlein von PVischer.
132. Das blinde Roß.
Vor langen, langen Jahren lebte in der alten Stadt Wineta
ein reicher Kaufmann, der mehrere Schiffe zur See hatte und
viele Waren kaufte und verkaufte. Alles in seinem Hause sah
prächtig aus. Die Wände waren mit Tapeten beklebt, die Fuß—
böden mit Teppichen belegt, und Herr und Frau gingen in lauter
Sammet und Seide. Im Stalle standen vier Füchse für die
Kutsche und ein Schimmel zum Reiten. Dieser Schimmel war
das schnellste Pferd in ganz Wineta, und Usedom (so hieß der
Kaufmann) nannte ihn nur seinen lieben Spring-in-den-Wind.
Eines Tages ritt Usedom in einen Wald, um zu sehen, ob seine
Waren noch nicht ankämen, die er erwartete. Plötzlich sprangen
sechs Räuber auf ihn zu, und hätte nicht der Schimmel durch
seine Blitzesschnelle den Herrn gerettet, nimmer würde er Wineta
wiedergesehen haben. Denn der eine Räuber hatte schon den