Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag,
hatte alles mit angehört und war traurig, daß morgen sein letzter Tag sein
sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf; zu dem schüch er
abends hinaus in den Wald und klagte über das Schicksal, daß ihm bebor—
stände. „Höre,“ sagte der Wolf, „sei gutes Mutes; ich will dir aus deiner
Not helfen. Ich habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht
dein Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit,
weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der
Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen; lege dich daneben, gleich,
o als wolltest du es bewachen. Ich will dann aus dem Wald herauskommen
und das Kind rauben; du mußt mir eifrig nachspringen, als wolltest du
es mir wieder abjagen. Ich lasse es fallen und du bringst es den Eltern
wieder zurück; die glauben dann, du hättest es gerettet, und sind viel zu
dankbar, als daß sie dir ein Leid anthun sollten, im Gegenteil, du kommst
15 in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen“
Der Anschlag gefiel dem Hunde, und wie er ausgedacht war, so wurde
er auch ausgeführt. Der Vater schrie, als er den Wolf mit seinem Kinde
durchs Feld laufen sah; als es aber der Sultan zurückbrachte, da war er
froh, streichelte ihn und sagte: „Dir soll kein Härchen gekrümmt werden;
ꝛo du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst“ Zu seiner Frau sprach
er: „Gehe gleich heim und koche dem alten Sultan einen Weckbrei; den
braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette,
das schenke ich ihm zu seinem Lager!“ Von nun an hatte es der alte
Sultan so gut, als er sichs nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte
»* ihn der Wolf und freute sich, daß alles so wohl gelungen war „Aber,
Gevatter,“ sagte er, „du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Ge—
legenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole? Es wird einem heutzu—
tage schwer, sich durchzuschlagen“ — „Darguf rechne nicht,“ antwortete
der Hund, „meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben.“
Der Wolf meinte, das wäre nicht im Ernste gesprochen, kam in der Nacht
herangeschlichen und wollte sich das Schaf hoͤlen. Aber der Bauer, dem
der treue Sultan das Vorhaben des Wolfes verraten hatte, paßte ihm auf
und kämmte ihm mit dem Dreschflegel garstig die Haare.
159. Dle Bauernmagd.
Gõt2.
Auf dem Hofe eines Müllers hatte sieh bei Nacht ein Hund von
5 seiner Kette losgerissen. Von dem Lürm érwacht der Herr und ruft
die Magd. dehnell springt diese aus dem Bette und eilt halbnackt
hinaus, um den Hund wiedeêr an die Rette zu legen. An der Thür
springt er ihr wütend entgegen und beilst sie in den Arm und in
den Fuss. Der Müller eilt auf ihr Geschrei mit seinen Leuten herbei.
TZarũck!? ruft sie, der Hund ist toll. Ieb bin nun schon gebissen.
Darum lasst mich; ieh will seben, ob ieb ihn wieder an düe LKette
bringe.“ Mit grosser Muhe und unter vielen Bilswunden gelang ihr
das auch endlich. Der Müller erschoss sofort den Hund. Die Magd
aber ging still und ohne Mage in ihre Kammer. Alle Hilfeé war ver-
geblich. die befahl sieh Gott und erwartete in Ergebung ibr Ende.
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