— 186 — 
280. Lied eines deutschen Knaben. 
Stolberg. 
1. Mein Arm wird stark und groß Noch jüngst ein Faustschlag, welchen ich 
mein Mut; Dem Bassa) zugedacht. 
Gieb, Vater, mir ein Schwert! 5. Da neulich unsrer Krieger Schar 
Verachte nicht mein junges Blut! Auf dieser Straͤße zog, 
Ich bin der Väter wert. Und wie ein Vogel der Husar 
2. Ich finde fürder keine Ruh) Das Haus vorüberflog: 
Im weichen Knabenstand. 6. Da gaffte starr und freute sich 
Ih stürb, o Vater, stolz wie du, Der Knaben froher Schwarm, 
Den Tod fürs Vaterland! Ich aber, Vater, härmte mich 
0 53. Schon früh in meiner Jugend war Und prüfte meinen Arm 
Mein täglich Spiel der Krieg; 7. Mein Arm wird stark und groß 
Im Bette träumt' ich nur Gefahr mein Mut; 
Und Wunden nur und Sieg. Gieb, Vater, mir ein Schwert! 
4. Manch Feldgeschrei erweckte mich Verachte nicht mein junges Blut! 
i6 Aus mancher Türkenschlacht; Ich bin der Väter wert 
281. Kaiser Wilhelm J. im Lazarett. 
Lauxmann. 
Eines Tages durchschritt der edle deutsche Kaiser Wilhelm 1. die Lazarett⸗ 
säle?) zu Versailles (sprich: Versahj), wie er häufig zu hun pflegte. Überall 
tröstete er, und oft war es schon der bloße Anblick seines lieben freund 
lichen Gesichts, welcher die armen Verwundeten auf Augenblicke ihre 
20 Schmerzen vergessen ließ — So trat er diesmal auch zu der Lagerstätte 
eines jungen verwundeten Infanteristen. Der war infolge eines Schlaf⸗ 
pulvers eingeschlummert und hatte sein Album?) von Gedichten liegen lassen. 
Der König trat, um den armen Verwundeten nicht zu stren, leise hinzu, 
nahm den neben dem Album liegenden Bleistift und schrieb die wenigen 
26 Worte hinein: 
„Mein Sohn, gedenke deines treuen Königs! 
Wilhelm!“ 
Der Soldat erwachte, und reiche Thränen perlten ihm beim Aublick 
dieser Zeilen aus den Augen. 
z0 Wenige Tage darauf besuchte der Kaiser wiederum das Lazarett und 
trat sofort auf den Infanteristen zu, drückte ihm freundlich die Hand und 
tröstete ihn. Derselbe war jedoch schon vom Tode als sichere Beute erlesen 
worden. Wachsbleich, mit halbgebrochenen Augen starrle er ins Leere. 
Kaum jedoch hatte er seinen König erkannt, als er sich mit der letzten 
s Kraft seines Körpers eimporrichtete, den König mit leuchtenden Augen an— 
blickte und sagte: 
Bassa, Pascha (türkischer Befehlshaber). 
9 n eun Säle der Lazarette oder Krankenhäuser. 
) Album —⸗ Stammbuch, Erinnerungsbuch.